19.05.2017
Bakterien schützen sich durch den Lotuseffekt
Plaque auf den Zähnen oder der bräunlich-zähe Schleim in Abflussrohren sind zwei bekannte Beispiele für bakterielle Biofilme. Solche Beläge von den Oberflächen zu entfernen, ist oft sehr schwierig, unter anderem weil sie sehr stark wasserabweisende Eigenschaften haben können. Ein Team von Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) konnte nun zeigen, wie solche Biofilme ihre Oberfläche anpassen, um Wasser abzuweisen und dabei Blättern ähneln.
Bakterien umgeben sich mit einer dichten Hülle von selbst hergestellten chemischen Bausteinen (Polymere), um sich vor Umwelteinflüssen zu schützen. Diese Kombination von Bakterien und dem von ihnen produzierten Schleim nennt man Biofilm. Mikroorganismen, die diese Oberflächenbeläge bilden, sind äußerst trickreich, um sich vor fließendem Wasser - und damit vor dem Ablösen - zu schützen. Nicht nur in Abflussrohren, sondern auch an medizinischen Implantaten oder Schläuchen kann das zum großen Problem werden.
Prof. Oliver Lieleg, Professor für Biomechanik, erforscht mit seiner Arbeitsgruppe "Biologische Hydrogele" an der Munich School of BioEngineering die physikalischen Prinzipien, die bakterielle Biofilme so widerstandsfähig machen. In ihrer aktuellen Studie im Journal NPJ Biofilms and Microbiomes haben sie die Oberfläche von Biofilmen mit konfokalen Reflexions-Lichtmikroskopen genau vermessen.
Nahrungsangebot bestimmt die Oberfläche der Biofilme
"Unsere erste Erkenntnis war: Biofilm ist nicht gleich Biofilm - auch wenn er vom selben Bakterium erzeugt wird", sagt Oliver Lieleg. Die Forscher stellten fest, dass das Bodenbakterium Bacillus subtilis Biofilme mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften herstellen kann: Einmal breiten sich Wassertropfen fast sofort auf der Oberfläche aus, ein anderes Mal rollen die Wassertropfen von der Oberfläche herunter und ein drittes Mal bleiben die Wassertropfen in kugeliger Form auf der Oberfläche haften - selbst wenn diese senkrecht gestellt wird.
Wie die Wissenschaftler zeigen konnten, nutzen die Mikroorganismen dabei Effekte, die aus der Pflanzenwelt bekannt sind: das wasserabweisende Verhalten der Blätter von Lotuspflanzen und Rosen. Lieleg und sein Team konnten nachweisen, dass die Oberflächenstruktur in der Tat stark verwandt zu denen der Pflanzenblätter ist. Genau wie die Blätter weist auch der Biofilm rauhe Strukturen sowohl im Mikrometer- als auch im Nanometerbereich auf, die dazu führen, dass die Benetzung mit Wasser erschwert wird.
Ein wesentlicher Unterschied, der sowohl bei den Pflanzenblättern als auch bei den Biofilmen auftritt: Beim Lotus-Effekt werden kleine Luftbläschen zwischen dem Wassertropfen und der Oberfläche des Blattes eingeschlossen, beim Rosenblatt-Effekt dagegen nicht. Deshalb perlen Wassertropfen von Lotusblättern ab, haften aber an Rosenblättern. Ob sich ein Biofilm eher wie ein Lotus- oder wie ein Rosenblatt verhält, hängt von den Nährstoffen ab, die die Bakterien beim Wachstum vorfinden, da dies die genaue Oberflächenstruktur des Biofilms bestimmt.
Ein neuer Ansatzpunkt zur Bekämpfung von Biofilmen
Bakterien in Biofilmen lassen sich oft nur schwer mit Antibiotika und anderen Chemikalien bekämpfen. Teilweise ist dafür die wachsende Zahl bakterieller Resistenzen verantwortlich. Die Forscher schlagen nun vor, auch die wasserabweisenden Eigenschaften der Biofilme anzugreifen: "Wenn ein antibakterieller Stoff die Oberfläche eines Biofilms gar nicht erreicht, weil er abperlt, dann kann er auch nicht wirken. Wir müssen deshalb diese wasserabweisende Oberflächentextur verändern", erklärt Oliver Lieleg. "Das wäre ein neuer Ansatzpunkt, um Biofilme von Oberflächen wie Rohren, Kathetern oder infizierten Wunden zu entfernen."
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Quelle: Technische Universität München