12.05.2016
Künstliches Molekül auf Zuckerbasis als Impfstoff gegen Krankenhauskeime?
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und der Freien Universität Berlin haben eine Substanz entwickelt, die eine Immunantwort gegen das Darmbakterium Clostridium difficile auslöst. Der potentielle Impfstoff ähnelt den Zuckerstrukturen auf der Oberfläche des Bakteriums und trainiert daher das Immunsystem darauf, den Erreger zu erkennen. C. difficile befällt einen großen Teil der Patienten in Krankenhäusern und tötet allein in den USA jährlich etwa 15.000 Menschen. Ärzte können die Infektion mit Antibiotika behandeln, doch der Keim verändert sich ständig und entgeht so immer wieder der Wirkung der Medikamente. Die Ergebnisse der Max-Planck-Forscher können helfen, günstige und effektive Impfstoffe und sogar Medikamente gegen C. difficile zu entwickeln.
Etwa 40 Prozent der stationären Patienten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen tragen das Darmbakterium C. difficile in sich. Der Erreger hat bei ihnen ein leichtes Spiel: Da die Darmflora der Patienten häufig durch Antibiotikabehandlungen geschädigt ist, kann er sich ungehindert ausbreiten und Durchfälle bis hin zu Darmentzündungen auslösen. Die Behandlung der Infektion wird zudem immer schwieriger, weil die Bakterien zunehmend Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln.
Forscher am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung haben nun ein Molekül konstruiert, das Patienten vor C. difficile schützen könnte. Es ähnelt dem charakteristischen Zuckerpelz auf der Oberfläche der Bakterien und kann daher eine ähnliche Immunantwort hervorrufen wie das Bakterium selbst. So könnte das Molekül als Impfstoff eingesetzt werden - denn wenn das Immunsystem einmal Antikörper gegen einen Erreger gebildet hat, ist es bei einer späteren Infektion vorbereitet und kann die Keime besser bekämpfen.
Künstliche Moleküle als kostengünstige Alternative für die Immunisierung
Die Forscher untersuchten zunächst, welche Teile des Zuckerpelzes tatsächlich notwendig sind, um die Immunantwort auszulösen. Dann bauten sie ein künstliches Molekül mit diesen Eigenschaften, indem sie die wesentlichen Zuckerstrukturen an ein Aminosäuregerüst anbrachten. Gekoppelt mit einem immunaktivierenden Peptid regte es das Abwehrsystem in Mäusen zur Bildung von Antikörpern an, die auch gegen die ähnlich gebauten Oberflächenzucker von C. difficile wirksam waren. Die Mäuse sind also gegen eine spätere Infektion mit dem Bakterium geschützt. Darüber hinaus könnte man mithilfe des Moleküls therapeutische Antikörper produzieren, die erkrankten Patienten zur Unterstützung des Immunsystems verabreicht werden und sie von der Infektion heilen könnten.
Viele Bakterien tragen charakteristische Kohlenhydrate auf ihrer Oberfläche, und es ist bekannt, dass sich diese Zuckerpelze zur Immunisierung eignen. Für die Herstellung entsprechender Impfstoffe werden die Oberflächenzucker jedoch normalerweise von speziell dafür gezüchteten Keimen abgelöst - ein teures und aufwendiges Verfahren. Mit der Synthese künstlicher Moleküle zur Immunisierung schaffen die Forscher eine kostengünstige Alternative. "Unsere aktuellen Ergebnisse sind ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Grundlagenforschung mithilfe des Studiums der menschlichen Immunantwort gegen Zucker zu neuen Kandidaten für den Kampf gegen gefährliche Krankenhauskeime führen kann", sagt Peter H. Seeberger, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und Professor der Freien Universität Berlin. Bereits 2011 synthetisierte seine Arbeitsgruppe ein Molekül zur Immunisierung gegen C. difficile, damals nahmen sie allerdings eine andere Oberflächenstruktur als Vorlage.
Um von den Forschungsergebnissen zur tatsächlichen Anwendung am Patienten zu kommen, arbeiten die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam zusammen mit der Vaxxilon AG (Reinach, Schweiz) an der Entwicklung neuartiger Kohlenhydrat-Impfstoffe. Vaxxilon hat ein Portfolio von Impfstoffkandidaten gegen verschiedene Erreger lizenziert, darunter auch gegen C. difficile.
Quelle: Max-Planck-Institut für Koloid- und Grenzflächenforschung