14.01.2016
Strukturbestimmung antiviraler Signalproteine durch Festkörper-NMR-Spektroskopie
Befallen Bakterien und Viren den Körper, werden sie vom Immunsystem als Fremdkörper erkannt. Es sendet dann eine entsprechende Immunantwort aus, um die Krankheitserreger zu bekämpfen. Um die Angriffsmechanismen der Erreger genau zu verstehen und passende Wirkstoffe zu entwickeln, müssen Forscher die Struktur der Proteine auf molekularer Ebene aufklären. Nur so kann man erkennen, welche Strukturen attackiert werden und wie diese im Detail aussehen. Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben nun eine neue Methode entwickelt, um die Struktur von sehr großen Proteinkomplexen hochauflösend darzustellen. Dazu kombinierten sie ein bekanntes Verfahren, die Festkörper-NMR-Spektroskopie, mit einem eigens entwickelten Rechenalgorithmus.
Wenn wir uns mit einem Virus infizieren, erkennt unser Körper bestimmte Virusmoleküle als "fremd" und startet eine Signalkaskade, um die Eindringlinge zu bekämpfen. Ein zentraler Knotenpunkt dieser Kaskade ist das "Mitochondrial antiviral signaling protein" (MAVS), das sich die Braunschweiger Forscher nun genauer angeschaut haben. "Wir haben uns für MAVS-Proteine entschieden, da sie eine wichtige Rolle für die Signalübertragung unseres angeborenen Immunsystems spielen. Diese Proteine reagieren auf viele verschiedene Viren, vor allem auf RNA-Viren wie Hepatitis, Influenza oder Dengue", sagt Prof. Christiane Ritter, die am HZI die Kernspinresonanzspektroskopie-Plattform, kurz NMR, leitet. Das Protein kommt auf der Mitochondrienhülle, die unsere Zellen mit Energie versorgt, vor und ist somit maßgeblich an der Abwehr von Infektionen beteiligt.
Bei der Infektion mit einem Virus, lagert sich das Protein zu einer spiralförmig angeordneten Superstruktur zusammen, deren hochaufgelöste dreidimensionale Darstellung bislang schwierig war. Durch die Kombination von NMR-Daten mit dem Rechenalgorithmus konnten die Forscher beim MAVS-Protein nun die Symmetrie einzelner Moleküle auf schraubenförmigen Filamenten hochauflösend aufklären.
Prinzipiell misst die NMR-Spektroskopie Distanzen zwischen einzelnen Atomkernen, aus denen sich ein Bild errechnen lässt. Um die Struktur korrekt bestimmen zu können, müssen bei Proteinkomplexen aber zusätzlich noch die Kontaktstellen zwischen den Einzelbausteinen zugeordnet werden. Dazu müssen die einzelnen Proteinmoleküle voneinander getrennt betrachtet werden. "Das haben wir über biochemische Ansätze und besondere Probenvorbereitung gelöst", sagt Ritter. Der neu entwickelte Algorithmus überprüft systematisch alle Möglichkeiten der Symmetrie. Er gleicht dabei die Ergebnisse dieser Überprüfung mit den NMR-spektroskopischen Daten ab und liefert so eine genaue bildliche Darstellung des Proteins.
Doch das Darstellungsverfahren funktioniert nicht nur bei MAVS-Proteinen. Zukünftig könnten es Forscher bei allen Proteinkomplexen einsetzen, die symmetrische und filamentartige Stukturen aufweisen. Neben weiteren Signalproteinen könnten mit dem Verfahren auch viele Moleküle auf der Oberfläche von Bakterien untersucht werden. Die neue Strukturanalyse legt den Grundstein für die Wirkstoffforschung, hilft aber auch dabei das Immunsystem und dessen Reaktion besser zu verstehen. Das ist essentiell, um beispielsweise Wirkstoffe entwickeln zu können, die in die Regulierung unseres Immunsystems eingreifen. "Die Kombination von NMR-Daten mit einem Rechenalgorithmus zur Strukturbestimmung von helikalen Superstrukturen ist sowohl ein technischer, als auch biologischer Fortschritt", sagt Ritter.
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI)