26.11.2015
Neue Methoden zur Bestimmung der dreidimensionalen Struktur von Proteinen
Ob Antikörper, Enzym oder Transportstoff: Proteine haben lebenswichtige Funktionen. Zwar können Wissenschaftler die dreidimensionale Struktur vieler Proteine zumindest teilweise aufklären. Doch für viele Protein-Bausteine oder sogar ganze Eiweißmoleküle wurde die Struktur noch nicht bestimmt. Diese "dunklen Proteine" könnten eine Schlüsselrolle für das Verständnis von Krankheiten spielen. Ein Team internationaler Wissenschaftler mit Beteiligung der Technischen Universität München ist dem Geheimnis des "dunklen Proteoms" mit den Methoden der Bioinformatik einen Schritt näher gekommen. Proteinforschung und Biomedizin bilden einen Forschungsschwerpunkt der TUM.
15 Prozent der Masse eines durchschnittlichen Menschen: So groß ist der Anteil aller Proteine, das sogenannte Proteom. Die Eiweißmoleküle übernehmen essentielle Aufgaben im Körper und den Zellen. Sie bringen Stoffwechselprozesse in Gang, helfen bei der Abwehr von Krankheiten und sorgen für den Transport lebenswichtiger Stoffe.
Die dreidimensionale Struktur ist entscheidend für die Funktion dieser Proteine. Doch es existieren Proteine, die sich vollständig oder in bestimmten Bereichen von jeder bisher experimentell nachgewiesenen Struktur unterscheiden. Ihre Struktur kann daher nicht modelliert werden. Forscher fassen diese Proteine und Protein-Bausteine unter dem Begriff "dunkle Proteine" und in der Gesamtheit als "dunkles Proteom" zusammen, in Anlehnung an die dunkle Materie im Weltall. Bisher war unter anderem noch nicht bekannt, wie viele der Proteine zum dunklen Proteom gehören.
Die Hälfte des Proteoms ist dunkel
Gemeinsam mit der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) in Sydney und der Universität Lissabon hat Andrea Schafferhans vom Lehrstuhl für Bioinformatik der TUM (Prof. Burkhard Rost) die Eigenschaften des "dunklen Proteoms" untersucht. Aus verschiedenen Datenbanken filterten die Wissenschaftler dazu Informationen, brachten sie in Verbindung miteinander und werteten die Daten aus.
Die Datenbank "Aquaria", ein Gemeinschaftsprojekt der CSIRO und der TUM, spielte dabei eine wichtige Rolle. Die Webseite ging Anfang 2015 online und bietet allen Forschern die Möglichkeit, sich die 3D-Struktur von Proteinsequenzen berechnen zu lassen. Dabei greift die Datenbank auf bereits vorhandene Strukturen zurück und erstellt das wahrscheinlichste Modell. Mithilfe der Webseite konnten die Forscher erkennen, welche Protein-Strukturen tatsächlich "dunkel" sind.
Das Ergebnis: Die Hälfte des Proteoms aller Lebewesen, deren Zellen einen Zellkern besitzen - wozu auch der Mensch zählt - gehört zum "dunklen Proteom". "Davon wiederum ist knapp die Hälfte strukturell völlig unbekannt", sagt Schafferhans.
Wenig Verwandte, kaum Wechselwirkungen mit anderen Proteinen
Außerdem konnten die Forscher folgende Eigenschaften für die dunklen Proteine bestimmen: Die meisten der "dunklen Proteine" sind kurz, haben nur wenige Interaktionen mit anderen Proteinen, werden häufig ausgeschieden und besitzen nur wenige evolutionäre Verwandte.
Weiterhin stellten die Wissenschaftler fest, dass einige der bisherigen Annahmen über die "dunklen Proteine" falsch waren. So gehören sie mehrheitlich nicht zu den ungeordneten Proteinen. Letztere nehmen erst ihre eigentliche Struktur an, wenn sie eine Funktion erfüllen. In der restlichen Zeit liegen sie in einer anderen Form vor. Auch handelt es sich bei den "dunklen Proteinen" nicht größtenteils um Proteine, die sich in einer Membran befinden. Membranen grenzen Zellbestandteile oder auch gesamte Zellen voneinander ab. Beide Punkte waren bislang Erklärungen dafür, dass die dunklen Proteine schwer strukturell bestimmbar sind.
Mit ihren Ergebnissen haben die Forscher eine wichtige Grundlage geschaffen, um die geheimnisvollen Eiweißmoleküle in Zukunft besser analysieren zu können. Die Forscher wollen außerdem das "dunkle Proteom" mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Dort könnten Proteine zu finden sein, die eine Schlüsselrolle für die Gesundheit des Menschen spielen.
Quelle: Technische Universität München