16.04.2015
Lawrencium als letztes Mitglied der Actinoiden bestätigt
Mit einer neuartigen Kombination weiterentwickelter Techniken ist es einer internationalen Forscherkollaboration gelungen, das erste Ionisationspotenzial von Lawrencium zu messen. Bei Lawrencium - Element 103 - handelt es sich um ein radioaktives Element, das nur künstlich hergestellt werden kann. Es ist das schwerste Element der Actinoiden, zu denen 15 Elemente mit ähnlichen Eigenschaften gehören, darunter auch Uran und Plutonium. Unter der Leitung von Wissenschaftlern der Japan Atomic Energy Agency (JAEA) in Tokai hat das Forscherteam das erste Ionisationspotenzial von Lawrencium mit 4,96 Elektronenvolt bestimmt. Das erste Ionisationspotenzial gibt an, welche Energie nötig ist, um das am schwächsten gebundene Elektron aus einem neutralen Atom zu entfernen. "Wir zeigen, dass die Energie zum Ablösen des äußersten Elektrons bei Lawrencium wie erwartet am geringsten von allen Actinoiden ist", erklärt Univ.-Prof. Dr. Christoph Düllmann von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Dies bestätigt die Position von Lawrencium als letztes Mitglied in der Reihe der Actinoiden und untermauert die Architektur des Periodensystems der Elemente.
Die chemischen Eigenschaften eines Elements hängen hauptsächlich von der Elektronenkonfiguration in der äußersten besetzten Schale ab. Effekte der Speziellen Relativitätstheorie beeinflussen die Elektronenstruktur bei den Elementen am Ende des Periodensystems sehr stark, was sich in vielen Fällen direkt auf die chemischen Eigenschaften auswirkt. Das Studium dieses Einflusses ist ein Hauptziel chemischer und atomphysikalischer Experimente mit diesen Elementen.
Das Element mit Ordnungszahl 103, Lawrencium, hat seit der Einführung des "Actinoidenkonzepts" - die dramatischste Revision in der jüngeren Geschichte des Periodensystems durch Glenn T. Seaborg in den 1940er-Jahren - eine äußerst wichtige Rolle als letztes Mitglied der Actinoiden gespielt. Diese spezielle Stellung hat das Element in den Fokus von Untersuchungen gerückt, um einerseits den Einfluss relativistischer Effekte zu bestimmen und andererseits die Eigenschaften zu ermitteln, die seine Stellung als tatsächlich letztes Element der Actinoiden bestätigen. Dabei wurde erwartet, dass Lawrencium, analog zu Lutetium als letztem Element der Lanthanoiden, ein sehr niedriges Ionisationspotenzial besitzt, das stark durch relativistische Effekte beeinflusst ist. Der Nachweis ist jedoch außerordentlich kompliziert.
Lawrencium kann nur in Form einzelner Atome an Schwerionenbeschleunigern produziert werden. Als Erschwernis für Experimente kommt hinzu, dass alle bekannten Isotope kurzlebig sind. Deshalb gibt es nur wenige experimentelle Studien und die Untersuchungen beschränken sich bislang auf einige ausgewählte chemische Eigenschaften. Für das jetzt am JAEA-Tandembeschleuniger durchgeführte Experiment haben die beteiligten Kernchemiker eine neue Kombination weiterentwickelter Methoden und Techniken ausgenutzt, die erstmals eine Messung des ersten Ionisationspotenzials von Lawrencium ermöglichte.
Hierzu hat das Institut für Kernchemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz exotisches Californium-Targetmaterial (Element 98) aufgereinigt und bereitgestellt. Das Material wurde in Japan zu einem Target verarbeitet und dann mit einem Bor-Ionenstrahl (Element 5) bestrahlt. In Ergänzung zu dem Experiment wurden unter der Leitung einer Wissenschaftlerin des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) in Zusammenarbeit mit Partnern der Tel Aviv University in Israel theoretische Rechnungen mit den aktuellsten quantenchemischen Methoden zum Wert des Ionisationspotenzials durchgeführt. Die sehr gute Übereinstimmung zwischen dem berechneten und gemessenen Resultat bestätigt diese Berechnungen.
"Unsere experimentelle Technik eröffnet neue Perspektiven für ähnliche Untersuchungen noch exotischerer, superschwerer Elemente", so die Erwartungen der Wissenschaftler. An der Untersuchung beteiligt waren die JAEA, das Institut für Kernchemie der JGU, das Helmholtz-Institut Mainz, das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, CERN in Genf, Schweiz, die japanischen Universitäten Ibaraki, Niigata und Hiroshima, die Massey University in Auckland, Neuseeland, und die Tel Aviv University in Israel.
Quelle: Universität Mainz