09.10.2013
Den Nebenwirkungen von Medikamenten auf der Spur
Egal, ob eine Kopfschmerztablette aus der Hausapotheke oder Antibiotika zur Behandlung einer Lungenentzündung: Jedes Medikament löst im Körper komplexe biochemische Reaktionen aus. Und gerade hier liegt das Problem: Denn bisher können Pharmakologen zwar für einzelne Stoffe testen, wie der Körper darauf reagiert und welche Nebenwirkungen auftreten können. Eine vollständige Entschlüsselung der Effekte von Neben- und Zwischenprodukten innerhalb der biochemischen Reaktionskette ist derzeit jedoch nicht möglich.
Analyse der komplexen Effekte von Wirk- und Giftstoffen
Wissenschaftler des Kompetenzdreiecks Optische Mikrosysteme (KD OptiMi), an dem u. a. die Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt ist, haben ein hochintegriertes optisches Mikrosystem entwickelt, das die komplexen Effekte von Wirk- und Giftstoffen auf Lebewesen aufschlüsselt und damit vielfältige Anwendungen in Pharmazie und Umweltanalytik eröffnet. Einen ersten Prototyp des Bioreaktors stellen die Forscher auf der größten Fachmesse für Biotechnologie, Life Sciences und Labortechnik in Europa "Biotechnica" vor, die vom 8. bis 10. Oktober in Hannover stattfindet.
"Das System besteht aus mikrofluidischen, mikrooptischen und mikromechanischen Komponenten, so dass mehrere Parameter gleichzeitig gemessen werden können", erklärt Ira Winkler vom Institut für Angewandte Physik. "Damit ist es effizienter, schneller und kostengünstiger als bisherige Verfahren", so die Projektkoordinatorin. Neben Schnelltests ermöglicht der neue Bioreaktor die Analyse von Stoffmischungen auch in niedrigen Konzentrationen sowie die dreidimensionale Kultivierung von Zellaggregaten. "Konventionelle zweidimensionale Proben auf einem Glas- oder Plastikträger bestehen aus nur einer Zellschicht", erläutert Ira Winkler. "Dreidimensionale Proben hingegen imitieren die reale Situation im menschlichen Körper besser und es lassen sich auch die Interaktionen zwischen den Zellen untersuchen."
Auf der Biotechnica präsentiert das KD OptiMi-Team zudem Technologien und Systemteile für ein mikrooptisches Akkommodationssystem, das Menschen mit Grauem Star oder Alterssichtigkeit helfen soll, Objekte in unterschiedlicher Entfernung wieder scharf zu sehen. Das KD OptiMi wird vom Freistaat Thüringen und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Innovatives Verfahren zur Biomarker-Suche
Darüber hinaus ist auf der Messe auch das Forscherteam um PD Dr. Heidrun Rhode vom Institut für Biochemie I des Jenaer Universitätsklinikums vertreten. Die Wissenschaftler präsentieren ein automatisiertes Verfahren sowie entsprechende Gerätetechnik zur Bestimmung sämtlicher Eiweiße, dem sogenannten Proteom, in Körpersäften, wie etwa Blut und Gehirnflüssigkeit. Der auf der Messe vorgestellte Prototyp wurde in einem erst in der vergangenen Woche abgeschlossenen Verbundprojekt mit dem Universitätsklinikum Jena, der Jenaer CyBio AG und der Ilmenauer X-CASE GmbH entwickelt.
"Das Besondere ist, dass die Methode sehr robust und präzise ist und das gesamte Proteom erfasst", sagt Heidrun Rhode. Damit eignet sich das Verfahren, um charakteristische biologische Merkmale für Erkrankungen zu identifizieren - sogenannte Biomarker. Bisher haben sich die Forscher auf Nierenerkrankungen und schwere Entzündungen konzentriert. Jetzt werden damit Biomarker zur Erkennung von Komplikationen bei Schuppenflechte und der Nervenerkrankung Amyotrophe Lateralsklerose gesucht. In Kooperation mit dem neuen Forschungscampus "InfectoGnostics" wollen sie zukünftig auch Biomarker bei Infektionskrankheiten aufspüren. Darüber hinaus ist das innovative Verfahren der Jenaer Wissenschaftler für die forschende Pharmaindustrie interessant, die damit die Wirkung von Arzneistoffen analysieren kann.
Quelle: Universität Jena