04.09.2013
Fischembryonen besitzen Mechanismus zum Chemikalienschutz
Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben gemeinsam mit Kollegen des Schweizer Wasserforschungsinstitutes Eawag, ein Protein entdeckt, das Chemikalien aus dem Embryo des Zebrabärblings heraustransportiert und ihn auf diese Weise vor giftigen Substanzen schützt. Dieser Schutzmechanismus kann jedoch durch bestimmte Umweltchemikalien außer Kraft gesetzt werden, wodurch die Tiere gegenüber Giftstoffen sehr viel empfindlicher werden. Die im Wissenschaftsmagazin "BMC Biology" veröffentlichte Studie könnte für die Chemikalienbewertung zukünftig von großer Bedeutung sein.
Fische besitzen viele unterschiedliche Mechanismen, um sich vor schädlichen Substanzen in Gewässern zu schützen. Dazu gehören beispielsweise molekulare Transportsysteme, die ein Eindringen toxischer Substanzen in die Zelle verhindern. So genannte ABC-Transporter sind bei Säugetieren bereits gut untersucht. Über solche Transporter in Fischen oder deren Embryonen war bislang nur wenig bekannt. Die beiden Ökotoxikologen Dr. Till Luckenbach (UFZ) und Dr. Stephan Fischer (Eawag) haben gemeinsam mit weiteren Kollegen nun herausgefunden, dass beim Embryo des Zebrabärblings (Danio rerio) das Transportprotein ABCB4 aktiv Chemikalien aus dem Embryo herausschleust. "Ein Fischembryo hat bereits sehr gute Schutzkompetenzen", sagt Luckenbach. "Die Bedeutung solcher Transportsysteme wurde in der toxikologischen und ökotoxikologischen Forschung bislang unterschätzt - sie spielen aber eine äußerst wichtige Rolle."
Bindet eine Substanz an das Transport-Protein ABCB4 des Fischembryos, wird der ebenfalls an den Transporter angelagerte Zelltreibstoff ATP gespalten. Die dabei freiwerdende Energie wird dazu genutzt, den unerwünschten Stoff aus der Zelle heraus zu schleusen. ABCB4 kann eine Vielzahl unterschiedlicher Stoffe abwehren, wodurch der Embryo resistent gegenüber einer Vielzahl von Schadstoffen wird. Beim Menschen übernimmt diese Funktion das Protein ABCB1. Überraschend war daher das Ergebnis der Studie, dass diese Aufgabe im Zebrabärbling das Transportprotein ABCB4 ausübt. ABCB4 beim Menschen kann dagegen keine toxischen Substanzen transportieren, sondern bindet spezifisch an bestimmte Fettsäuren der Leber, die in die Gallenkanäle geschleust werden, um die Leberzellen vor den aggressiven Gallensäuren zu schützen.
In Versuchen mit Embryonen des Zebrabärblings, in denen die Bildung von ABCB4 unterdrückt wurde, stellten Luckenbach und sein Team fest, dass diese sehr viel empfindlicher auf toxische Chemikalien reagierten, und sich bei ihnen mehr dieser Substanzen im Gewebe anreicherten. "Daraus konnten wir schließen, dass ABCB4 beim Zebrabärbling tatsächlich ein Transportprotein ist, das den Embryo vor Chemikalienbelastung schützt", sagt Luckenbach.
In weiterführenden Untersuchungen konnten die Forscher durch Messung der Aktivität des Transportersystems herausfinden, welche Chemikalien durch ABCB4 transportiert werden. Es gibt aber auch Substanzen, die den Transporter blockieren können. Durch diese Hemmung kann er seiner Funktion nicht nachkommen, und andere schädliche Substanzen können in den Organismus eindringen. "Stoffe, die den Transporter hemmen, öffnen anderen toxischen Substanzen Tür und Tor", sagt Stephan Fischer. "Sie werden auch Chemosensitizer genannt, da sie den Organismus für Schadstoffe empfindlicher machen. Dieser indirekte toxische Effekt spielt vor allem bei Stoffgemischen, wie sie üblicherweise in unserer Umwelt vorkommen, eine wichtige Rolle."
Am UFZ werden derzeit verschiedenste umweltrelevante Chemikalien auf deren Einfluss auf das ABCB4-Transportersystem getestet - einzeln und im Gemisch. Luckenbach: "Viele Effekte von Stoffgemischen können mit der ABCB4-Proteinaktivität erklärt werden. Da Embryonen des Zebrabärblings für die Chemikalienbewertung und für Untersuchungen von Umweltbelastungen genutzt werden, hoffen wir, dass unsere Studie dazu beitragen wird, dass in Zukunft unbedingt auch Tests zu ABCB4-Transportprozessen in die Richtlinien von Toxizitätstests aufgenommen werden."
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)