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28.09.2024

18.07.2012

Krebs-Biomarker neu bewertet

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ETH-Forscher haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sie testen können, welchen klinischen Nutzen Krebs-Biomarker haben. Die Methode könnte den Weg zwischen Labor und Anwendung drastisch verkürzen.

Protein-Biomarker, insbesondere jene, die im Blutplasma oder im Urin kursieren und daher ohne großen Eingriff gewonnen werden können, sind in der personalisierten Medizin essenziell wichtig. Biomarker dienen dazu, Krankheiten in der Klinik frühzeitig zu erkennen, zu klassifizieren, die geeignete Therapie auszuwählen und den Therapieerfolg zu überprüfen.

Dank großer Fortschritte in der Protein- und Genforschung sowie bei der Modellierung von biologischen Prozessen am Computer haben Forscher in den letzten Jahren über tausend potenzielle Protein-Biomarker gefunden. Rasant nimmt auch das Wissen über komplette Erbgutsequenzen von einzelnen Krebspatienten zu, was die Anzahl möglicher Biomarker weiter erhöhen wird.

Lange Kandidatenliste

Allerdings ist die große Mehrheit der vorgeschlagenen und in der Literatur festgehaltenen Protein-Biomarker nicht über den Status "potenziell" hinausgekommen. "Die Kandidatenlisten für Biomarker wurden zwar immer länger, die für die Klinik zugelassenen, hat jedoch stagniert", bringt es Ruth Hüttenhain, Postdoc in der Gruppe von Ruedi Aebersold, Professor für molekulare Systembiologie, auf den Punkt. Denn um abschätzen zu können, ob Biomarker-Kandidaten überhaupt klinisch relevant sind, müssen diese über große Kohorten von Patientenproben gemessen und validiert werden. Der Hauptgrund dafür, dass die Entwicklung von neuen Biomarkern für die Klinik nicht weiter fortgeschritten ist, dass für die meisten Biomarker-Kandidaten ein Nachweisverfahren fehlt.

Ruth Hüttenhain und Martin Soste, die Erstautoren einer Studie, die soeben in Science Translational Medicine erschienen ist, haben deshalb eine neue Strategie entwickelt, mit denen sie potenzielle Biomarker schnell in großem Maßstab messen und auf ihren klinischen Nutzen hin überprüfen können. Das Verfahren beruht auf einem gezielten massenspektrometrischen Hochdurchsatz-Verfahren. Dieses kann Proteine, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in biologischen Proben vorliegen, zuverlässig und reproduzierbar bestimmen. Für dieses Verfahren müssen zuvor für jedes Protein massenspektometrische Koordinaten, so genannte Assays, entwickelt werden.

Testverfahren grenzt Liste rasch ein

In ihrer Studie entwickelten die Forschenden Assays für 1157 potenzielle Biomarker, deren Häufigkeit sich in verschiedenen menschlichen Krebsgeweben ändert und die mit mutierten Genen, die die Krebsentwicklung antreiben, in Verbindung stehen. Ihre Assays testeten die ETH-Forschenden schließlich an Blut- und Urinproben von Krebspatienten und gesunden Menschen. Im Blutplasma konnten die Wissenschaftler über 180 verschiedene Biomarker finden, deren Konzentration teilweise im Bereich von einem Milliardstel Gramm pro Milliliter Flüssigkeit lag. In Urinproben fanden die Systembiologen über 400 verschiedene Biomarker-Proteine.

Mithilfe der Assays lässt sich die Liste möglicher Biomarker effizient und in kurzer Zeit eingrenzen. Diese können zwar nicht direkt in einer Krebsdiagnose eingesetzt werden, überbrücken aber die Lücke zwischen Grundlagenforschung und der klinischen Anwendbarkeit. "Wir hoffen, dass wir mit unserer Arbeit Studien an Krebs-Biomarkern beschleunigen und dazu beitragen, dass vielversprechende Kandidaten klinisch angewendet werden können", sagt die Postdoktorandin. Damit auch andere Forscher von der Vorarbeit profitieren, haben die ETH-Wissenschaftler alle Assays in einer öffentlich zugänglichen Datenbank hinterlegt, die schnell und einfach für neu entdeckte Biomarker-Kandidaten ausgebaut werden kann.

Fallstudie an Eierstockkrebs bestätigt Ansatz

Eine Fallstudie zur Erkennung von Eierstockkrebs bestätigte den Ansatz der ETH-Forschenden, indem sie mögliche Biomarker im Blutplasma bestimmte. Hierfür haben die Forschenden nicht nur die in der Literatur beschriebene Biomarker-Kandidaten gemessen, sondern auch neue Biomarker, die sie mit Computermodellen anhand von Genom-Daten vorhergesagt haben. "Anhand der Blutplasma-Messungen erzielten einige der vorhergesagten Biomarker interessanterweise sehr viel versprechende Ergebnisse für die Klassifizierung von Eierstockkrebspatientinnen", betont Ruth Hüttenhain. Diese Ergebnisse unterstreichen daher nicht nur das große Potenzial der massenspektrometrischen Methode zur Validierung von neuen Protein-Biomarkern. Die Studie beschreibt darüber hinaus eine aufschlussreiche Verknüpfung zwischen Krebs, Erbgutdaten und Proteom-Messungen, um den akuten Zustand von Patienten zu bestimmen.

Die ETH-Forschenden sehen in ihren Ansatz eine generelle Strategie, um die Arbeiten über Gen- und Protein-Wechselwirkungen stärker zu verbinden. Aufgrund der Verknüpfung zwischen den an der Tumorbildung beteiligten Genen und den Genprodukten, den Proteinen, können die Forscher am Computer bisher unbekannte, neue Biomarker-Kandidaten voraussagen, die mit Hilfe der massenspektrometrischen Assays in Patientenproben getestet werden können. "Unser neues Messverfahren kann dazu verwendet werden, vorgeschlagene Biomarker-Kandidaten in jeglichen Proben von Patienten zu validieren", sagt Martin Soste. Die Strategie, hochspezifische Nachweisverfahren für krankheitsrelevante Proteine zu entwickeln, könne überdies auf andere Krankheiten übertragen werden.

Quelle: ETH Zürich