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30.06.2024

13.10.2008

Tübinger Regenerationsmediziner präsentieren Alternative zu embryonalen Stammzellen

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Dem Forscherteam unter Leitung von Thomas Skutella, Direktor des Zentrums für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin, gelang ein großer Wurf in der Stammzellforschung. Die Tübinger Forscher, mit der Erstautorin Sabine Conrad, in Kooperation mit den Kollegen aus der Klinik für Urologie, Leiter Prof. Stenzl, präsentieren diese Woche in dem angesehenen Fachjournal "nature" ihre Arbeiten zur Gewinnung von pluripotenten menschlichen Stammzellen, die eine echte Alternative zu den ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen bieten.

Das Ausgangsmaterial waren adulte, jedoch unausgereifte menschliche Keimzellen des Hodens. Sie stammten aus Hodenentnahmen oder Gewebeproben der Urologischen Universitätsklinik, wie sie durch Biopsie-Entnahme einfach und schnell gewonnen werden können. Skutella und sein Team fanden die richtige Kombination von Kulturbedingungen, Medien und zugesetzten Wachstumsfaktoren, die zur spontanen Bildung pluripotenter Zellen führte. Pluripotente Zellen sind wenig differenziert, das heißt, sie sind prinzipiell in der Lage, fast jeden im Körper vorkommenden Zelltyp zu bilden, und ähneln damit embryonalen Stammzellen. Dank der Tübinger Pionierarbeit sind Hodenzellen die erste und bisher einzige Quelle für adulte pluripotente Stammzellen des Menschen. Das allein ist bereits ein beachtlicher Erfolg. Gekrönt wurde er dadurch, dass es den Forschern gelang, die Zellen zu langzeitstabilen und äußerst vermehrungsfreudigen Zelllinien weiterzukultivieren.

Die Zellen bestanden den Härtetest auf Pluripotenz, der international zurzeit als Gold-Standard gilt: Nach Injektion in Mäuse, die genetisch bedingt Defizite in ihrem Immunsystem aufweisen, bilden die Zellen Teratome. Diese speziellen Tumore weisen Zelltypen aller drei Keimblätter auf, die in frühen Entwicklungsstadien auf dem Weg zum Embryo entstehen. Außerdem ist in den Zellen ein regulatorisches Netzwerk pluripotenter Gene aktiv - ein weiterer Beweis dafür, dass die Zellen ein ähnliches Entwicklungspotenzial wie embryonale Stammzellen haben. In den Tübinger Laboren konnten die pluripotenten Zellen bereits erfolgreich zu unterschiedlichen gewebebildenden Zellen (des Nervensystems, der Muskeln, Knochen, Bauchspeicheldrüse) differenziert werden.

Skutella, der nicht nur Abteilungsleiter am Anatomischen Institut der Uni Tübingen, sondern zugleich auch Direktor des Zentrums für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin ZRM ist, freut sich, dass mit den jetzt publizierten Ergebnissen das Tor in Richtung Regenerativer und Individual-Medizin ein gutes Stück weiter aufgeht. Die Forscher und Mediziner des Tübinger ZRM setzen große Hoffnung darauf, aus den pluripotenten Zellen eine Ausgangsbasis zu haben, von der aus in der Zukunft spezifische Ersatzgewebe für Kranke und Unfallopfer gezüchtet werden können. Da solche Gewebe auf patienteneigenem Zellmaterial basieren würden, ließen sich Abstoßungs- und Abwehrreaktionen des Organismus weitgehend vermeiden. Zudem werden die neuen pluripotenten Zellen ohne gentechnische Eingriffe wie den Einbau viralen Genmaterials in das Erbgut der Ausgangszellen erzeugt, was eine medizinische Anwendung am Menschen deutlich erleichtert.

Bis ein direkter Einsatz bei Patienten möglich sein wird, bedarf es allerdings noch weitere, intensive Forschungsarbeiten, so die Aussagen von Skutella.

» Originalpublikation

Quelle: BioRegio STERN