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04.07.2024

10.07.2006

Auf dem Weg zum programmierbaren, zytogenetischen Submikroliter-Chiplabor

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Winzige biologische Stoffmengen, wie einzelne Zellen oder sogar kurze Erbgutabschnitte erfordern für ihre Analyse winzige Werkzeuge im Nanometer-Maßstab (ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter). Diesem Anspruch gerecht werden wollen nun Augsburger Physiker gemeinsam mit dem Center for Nanoscience (CeNS) der Ludwig-Maximilians-Universität München, dem Medizinisch Genetisches Zentrum (MGZ), der Firma Advalytix in Brunnthal, dem Deutschen Museum und dem Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF) in München-Neuherberg. In den nächsten drei Jahren wollen die Wissenschaftler ein zytogenetisches Labor in Chipgröße entwickeln, mit dessen Hilfe man genetisches Material auf Defekte und Mutationen hin schnell und kostengünstig untersuchen kann. Gefördert wird das Projekt mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Millionen Euro zu etwa 50 Prozent von der Bayerischen Forschungsstiftung.

Wie wirken sich Gen-Defekte auf das Leben und die Gesundheit eines Menschen aus? Welche DNA-Mutationen sind für Krankheiten, wie z. B. Krebs verantwortlich? Durch welche Faktoren werden Erbinformationen bei der Zellteilung nicht exakt kopiert? Das komplexe Zusammenspiel der einzelnen Erbgut-Bestandteile eines Organismus birgt noch immer unzählige Fragen.

Mit einer neuartigen Technologie will nun eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Achim Wixforth vom Institut für Physik der Universität Augsburg und Dr. Stefan Thalhammer von der GSF ein Werkzeug entwickeln, mit dessen Hilfe man in den Kosmos aus einzelnen Zellen, Erbgut-Bestandteilen, kurzen DNA-Abschnitten oder Chromosomen, eintauchen kann.

Grundlage für ihr Vorhaben ist ein Chip, der bereits am Lehrstuhl für Experimentalphysik I der Universität Augsburg zusammen mit der Firma Advalytix AG entwickelt wurde. Auf seiner Oberfläche können kleinste Stoffmengen von wenigen Nanolitern berührungsfrei bewegt und miteinander vermischt werden. Die exakte Steuerung der Tröpfchen erfolgt über für Menschen unhörbare Schallwellen, deren hohe Frequenzen von etwa 100 Megaherz an der Oberfläche des Chips kleine Verformungen bewirken. Das Prinzip funktioniert ähnlich wie Schwingungen, die ein Erdbeben an der Erdoberfläche auslöst.

Diese elektronischen Chips wollen die Wissenschaftler nun mit allen Komponenten ausstatten, die für zytogenetische Untersuchungen notwendig sind. Mithilfe der Spitze eines Raster-Kraftmikroskops, die wie ein Skalpell arbeitet und selbst nur wenige Atome dick ist, oder durch einen ultrafeinen Laserstrahl werden aus Gewebe-Proben winzigste Mengen genetischen Materials extrahiert und auf das Minilabor, das etwa die Größe eines Fingernagels haben wird, aufgebracht.

Anschließend wird das genetische Material, wie zum Beispiel eine einzige Chromosomenbande, in so genannten "virtuellen Reagenzgläsern" auf dem elektrisch ansteuerbaren, programmierbaren Submikroliter-Chiplabor aufbereitet. Die virtuellen Reagenzgläser sind einzelne Tropfen auf dem Chip, die nicht größer als ein paar Nanoliter sind. In ihnen befindet sich in einer Pufferlösung eingebettet das zu untersuchende genetische Material. Vor der sofortigen Verdunstung schützt den Tropfen ein hauchdünner Ölfilm.

Die Aufbereitung erfolgt mittels der so genannten Polymerase-Kettenreaktion. Sie vervielfältigt das Erbgut, das dann schließlich auf chromosomale Veränderungen und strukturelle Defekte auf dem Chip analysiert werden kann. Hierzu wird ein Netzwerk von fluidischen Bahnen die kleinen Tröpfchen auf dem Chip von "Station" zu Station verschieben und schließlich auf einem so genannten Mikroarray auf seine Bestandteile hin charakterisieren.

Quelle: idw / Universität Augsburg