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30.06.2024

17.11.2005

Guericke-Preis 2005 für neues Verfahren zur Identifizierung von Miroben

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Verderbnis erregende Mikroorganismen in Lebensmitteln bilden ein Hygienerisiko für den Verbraucher. Zusätzlich verursachen sie in der Industrie Schäden, die jährlich bei mehreren hundert Millionen Euro liegen. Hinzu kommen kaum bezifferbare, oft existenzbedrohende Imageschäden bei den betroffenen Herstellern. Zur ständigen Überprüfung ihres Hygienestatus waren gerade kleine und mittlere Unternehmen bislang auf externe Fachlabors angewiesen. Je nach Produktionsvolumen wandten sie pro Jahr mehrere hunderttausend Euro für mikrobiologische Auftragsarbeiten auf. Professor Dr. Siegfried Scherer und Dr. Herbert Seiler vom Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung der Technischen Universität München haben eine Methode zur Identifizierung von Mikroben weiterentwickelt, für Keime in Lebensmitteln etabliert und an die industrielle Praxis angepasst. Sie ermöglicht es den Lebensmittelproduzenten, die Identifizierung von Mikroorganismen zur Schadensvorbeugung im eigenen Betriebslabor vorzunehmen oder zu deutlich niedrigeren Analysekosten als bisher an Externe zu vergeben. Die neue Technik der Fourier-Transform-Infrarot- (FTIR-) Spektroskopie ist einfach durchführbar, erlaubt einen hohen Probendurchsatz und führt zu einem schnellen Ergebnis und zu einer sicheren Klassifikation bei niedrigen Kosten für Verbrauchsmaterial. Für diesen entscheidenden Fortschritt in der Routine-Identifizierung von Mikroben erhalten Scherer und Seiler in diesem Jahr den Otto von Guericke-Preis, den die AiF alljährlich verleiht.

Das Prinzip des Tests ist einfach: Von einer getrockneten Suspension der Reinkultur eines unbekannten Mikroorganismus wird ein Infrarot-Spektrum aufgenommen, das einen individuellen Fingerabdruck der Art darstellt. Dieses Spektrum wird mit Spektren bekannter Mikroben verglichen, die in Referenzdatenbanken abgelegt sind. Inzwischen ist es auch möglich, direkt die Produkt- oder Umweltprobe ohne vorherige Gewinnung einer Reinkultur zu analysieren, und zwar innerhalb von nur 24 Stunden. Schadhefen können so mit einer 97-prozentigen Trefferquote identifiziert werden, was alle vergleichbaren Methoden in den Schatten stellt. Derzeit liegen Datenbanken mit etlichen tausend Spektren vor. Ihre weitgehend automatisierte Auswertung beruht auf dem Prinzip der Datenanalyse durch künstliche neuronale Netze, deren Aufbau dem Nervensystem von Lebewesen nachempfunden ist.

Das Verfahren ist inzwischen in mehreren Industrielabors sowie in zwei mittelständischen und einem staatlichen Untersuchungslabor etabliert, die Dienstleistungen für kleinere Lebensmittel verarbeitende Betriebe anbieten. Eine weitere Nutzungsmöglichkeit zeichnet sich in der Qualitätssicherung von Pharmabetrieben ab, wo der mikrobiellen Begleitflora in den Produktionsstätten höchste Aufmerksamkeit gilt.

Mit der neuen Methode verringern sich die Untersuchungskosten um rund die Hälfte, wenn sie extern in Auftrag gegeben werden. Die reinen Materialkosten betragen 50 Cent pro Identifizierung. Das sind maximal zehn Prozent der Kosten anderer Verfahren. Für die deutsche Lebensmittelindustrie, die im Forschungskreis der Ernährungsindustrie organisiert ist, liegt somit das jährliche Kosteneinsparungspotenzial im Bereich mehrerer Millionen Euro.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF)