11.01.2005
Auf der Suche nach dem verlorenen Geschmack
Das Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven (ttz Bremerhaven) wird sich künftig verstärkt mit den qualitativen und sensorischen Eigenschaften von Lebensmitteln beschäftigen. "In der Branche zeichnen sich zwei aktuelle Trends ab: Dies sind die Angebote von Lebensmitteln zu immer niedrigeren Preisen einerseits, und die steigende Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln mit einem entsprechenden Preis-Leistungsverhältnis andererseits", erklärt dazu Werner Mlodzianowski, Geschäftsführer des ttz Bremerhaven. "Diese Entwicklungen geben uns Anlass, uns mit den Eigenschaften dieser Produktpalette intensiv wissenschaftlich und analytisch auseinanderzusetzen."
"Die verstärkte Nachfrage nach echten Geschmackserlebnissen, wie sie alte Obst- und Gemüsesorten bieten können, ist ein deutliches Zeichen", schätzt Mlodzianowski ein. "Aber leider wissen viele Menschen schon gar nicht mehr, wie etwa die Kartoffelsorte Blauer Hermann schmeckt - deshalb wollen wir uns, gesellschaftlich betrachtet, auf die Suche nach dem verlorenen Geschmack begeben."
Dass dies dringend nötig ist, weiß auch Kirsten Buchecker, Leiterin des Sensoriklabors des ttz Bremerhaven. "Wenn wir in in Joghurt-Tests beispielsweise abfragen, welche Sorte am meisten beziehungsweise am wenigsten "natürlich" schmeckt, werden regelmäßig jene Joghurts als am natürlichsten bewertet, in denen die meisten künstlichen Aromen stecken - und die tatsächlich naturbelassenen Joghurt-Produkte landen dann in der Kategorie "am wenigsten natürlich"." Daher wird das ttz-Sensoriklabor auch mehrere Projekte starten, um Kindern und Jugendlichen beim Erlernen von Geschmacksmustern, -vielfalt und -bewertung zu helfen.
Da die Geschmäcker aber bekanntlich verschieden sind, hat das ttz Bremerhaven soeben zusätzlich mit einem ganzen besonderen Projekt begonnen: die Entwicklung eines Verfahrens zur objektiven Bewertung von Geschmack: "Wenn drei Experten zum selben Wein jeweils unterschiedliche Einschätzungen abgeben, dann müssen sich ja mindestens zwei irren - oder sogar alle drei", erläutert der ttz-Geschäftsführer diesen Ansatz.
In dem Projekt Expersens geht es deshalb um die wissenschaftliche Analyse der Inhaltsstoffe, um damit Aussagen über den dadurch hervorgebrachten Geschmack geben zu können. "Das Projekt Expersens entwickelt dieses Verfahren zunächst am Beispiel Wein, aber nach dem erfolgreichen Abschluss wird sich dieses Verfahren auch auf eine große Bandbreite von Lebensmittelprodukten anwenden lassen", verspricht Mlodzianowski.
Beteiligt sind die erfahrenen Weinhandelshäuser Rathjen aus Bremerhaven und Janssen aus Bremen sowie - zur Unterstützung der Analyseverfahrens - das Unternehmen TeLa aus dem Biotechnologiezentrum Bio-Nord in Bremerhaven. Das ttz Bremerhaven bringt seine Analysespezialisten sowie das Sensoriklabor in dieses Projekt mit ein.
Dass diese Bemühungen auch potenziell gesundheitsfördernde Aspekte in sich bergen, liegt auf der Hand - oder, im Fall des ttz Bremerhaven, direkt in der Tomate. Im Projekt TOM werden von der Lebensmittelindustrie bislang nicht verwertete Tomatenreststoffe genutzt, um daraus eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten für die Kosmetik- und die Lebensmittelbranche zu schaffen. "Dazu zählt eine aus Tomaten gewonnene Substanz mit besonders guten Eigenschaften etwa für Feuchtigkeitscremes", berichtet ttz-Projektleiterin Caroline Mähr. Zu den Ergebnissen für die Lebensmittelunternehmen gehören Ballaststoffe (Fasern), die in jeder Hinsicht mit bereits bestehenden marktüblichen Produkten mithalten können. Weiterhin wird ein lycopinhaltiges Öl gewonnen, dem sich gesundheitsfördernde Eigenschaften zuschreiben lassen. "Nach wissenschaftlichen Studien schützt Lycopin das Herz-Kreislauf-System und kann dem Krebs vorbeugen", so Mähr. Das Öl kann etwa in der Produktion von Teigwaren wie Brot oder Nudeln eingesetzt werden.
Den Brückenschlag zwischen wissenschaftlichen Aktivitäten und dem Teller soll darüber hinaus ein Veranstaltungs-Highlight des ttz Bremerhaven verdeutlichen. "Wir beschäftigen uns seit geraumer Zeit auch intensiv mit der so genannten Molekular-Gastronomie", erläutert Mlodzianowski. Unter dem Stichwort ist die wissenschaftliche Analyse, und gegebenenfalls Modifizierung, von jenen Prozessen zu verstehen, die beim Kochen eingesetzt werden. "Mit diesen Analysen und Kenntnissen lassen sich auf ganz natürliche Weise - also ohne künstliche Zusätze - ganz erstaunliche und schmackhafte Ergebnisse erzielen - und dies wollen wir in diesem Jahr mit einem 'Wissenschafts-Menu' auch einmal öffentlich darstellen", kündigt Mlodzianowski an. Da zum Kochen auch entsprechende Gerätschaften gehören, entwickelt das ttz gemeinsam mit dem Bremerhavener Unternehmen Alphatec zudem ein völlig neues Küchenmixgerät, das insbesondere die Herstellung von Emulsionen in einer neuen Qualität ermöglichen soll.
Quelle: idw / Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven (TTZ)