07.04.2003
Trinkwasser-Leitlinien der WHO werden novelliert
Woran erkennen wir, ob unser Trinkwasser sicher ist? In der Europäischen Union (EU) orientiert sich die Gesetzgebung am fertigen Produkt "Trinkwasser". Um die Sicherheit des Trinkwassers festzustellen und zu überwachen, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Leitlinien für eine Reihe von Stoffen und Indikatoren für Krankheitserreger entwickelt, die im Wasser vorkommen können. Die EU setzte auf dieser Basis Grenzwerte fest, die die Mitgliedstaaten in nationales Recht umsetzen müssen. Auch die deutsche Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) nennt Grenzwerte, die nicht überschritten werden dürfen, und stellt technische Anforderungen. Das allein reicht jedoch nach Ansicht des Umweltbundesamtes (UBA) nicht aus. Einträge von Stoffen oder Krankheitserregern in Trinkwasser-Versorgungssysteme geschehen am ehesten plötzlich unter stark veränderten Bedingungen, wie zum Beispiel bei ergiebigen Niederschlägen. Die Analysen sind oft langwierig. Viele Ergebnisse liegen erst nach Stunden oder gar Tagen vor. Das plötzlich belastete Wasser wäre dann schon bei den Verbrauchern. Deshalb sind die Vorsorge und Vermeidungsstrategien besonders wichtig. Die deutsche TrinkwV 2001 geht daher noch einen Schritt weiter als die EU und verlangt die Einhaltung der "Allgemein anerkannten Regeln der Technik" für alle Schritte der Trinkwasserversorgung.
Die WHO hat das Problem ebenfalls erkannt und stellt bei ihrer aktuellen Revision der Trinkwasser-Leitlinien die Prozesskontrolle und das Qualitätsmanagement in den Vordergrund. Damit werden durch eine maßgeschneiderte Systemanalyse vom Einzugsgebiet bis zum Wasserhahn alle Stufen einer Trinkwasserversorgung erfasst. Dabei geraten sowohl die Gefahren, die auftreten können (zum Beispiel durch Verunreinigungen im Einzugsgebiet oder im Verteilungsnetz), als auch die Orte, an denen sie beherrscht werden können (zum Beispiel: Trinkwasser-Schutzgebiete, Trinkwasseraufbereitung, Rohrnetzpflege) ins Visier.
Besonders kritische Punkte werden verstärkt überwacht. Zeigt sich zum Beispiel durch die Düngemittelausbringung eine Gefährdung durch Nitrat, so folgt daraus eine besonders stringente Überwachung des Düngereinsatzes. Teilweise müssen potenzielle Gefahren an mehreren Punkten reduziert werden. Dies entspricht dem in Deutschland schon lange praktizierten Multibarrierenprinzip: Besteht zum Beispiel durch den Eintrag von Cryptosporidien (einer Parasiten-Art) aus Ausscheidungen von Vieh und Wildtieren eine Gefahr, so kann ein wichtiger Punkt zu ihrer Beherrschung die Kontrolle der Vieh- und Wildtierbestände im Einzugsgebiet sein. Ein zweiter, ebenso wichtiger Punkt im System wäre die Filtration im Wasserwerk zur Entfernung der Patikel.
In der Lebensmittelhygiene ist dieser Ansatz zum Qualitätsmanagement bereits seit einigen Jahrzehnten unter dem Begriff "HACCP-Prinzip" - Hazard Analysis (Gefahrenanalyse) and Critical Control Points (kritische Steuerungspunkte) - bekannt. Erste Erfahrungen mit der Anwendung des Ansatzes auf Trinkwasser liegen in der Schweiz, Australien und Frankreich vor. Die WHO hat den HACCP-Ansatz für Trinkwasser weiter entwickelt zu den so genannten "Water Safety Plans" (Pläne für sicheres Trinkwasser).
Neben diesem grundlegend neuen Aspekt enthält der Entwurf der WHO-Trinkwasserleitlinien zahlreiche weitere Veränderungen, wie:
- eine klare und transparente Gestaltung der WHO-Leitwerte für einzelne Stoffe sowie der Kriterien für ihre Anwendung,
- eine Diskussion der Zielsetzungen in der Trinkwasserhygiene, sowie
- ein Kapitel zur Überwachung und Verifikation von Qualitätsmanagement-Systemen.
Sowohl die WHO als auch das UBA nehmen gern weitere Vorschläge aus der Fachwelt entgegen, um sie bei der abschließenden Diskussion der Trinkwasser-Leitlinien der WHO berücksichtigen zu können.
Quelle: Umweltbundesamt