Bakterieller Abbau von refraktärem organischem Material im Weserästuar und in der Nordsee
Rocker, Dagmar - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (2011)
In dieser Arbeit wurde erstmalig der bakterielle Abbau von Huminsäuren im Bereich des ostfriesischen Wattenmeeres und des Weserästuars untersucht. Ein zentraler Aspekt hierbei war die Abhängigkeit des Abbaus von der Salinität, da der Salzgehalt beim Transport des DOM (dissolved organic matter) von der Weser ins Wattenmeer permanent ansteigt und zusätzlich im Ästuar tidenabhängige Schwankungen auftreten. Es wurden Inkubationsversuche in Durchflusskulturen mit Inokulaten aus dem Wattenmeer und dem Weserästuar über einen Zeitraum von 71 bis 74 Tagen durchgeführt. Als einzige Kohlenstoffquelle in den Experimenten standen beiden Bakteriengemeinschaften Huminsäureisolate zur Verfügung. Um einen Einfluss der Salinität auf den Huminsäureabbau zu überprüfen, wurden die jeweiligen Bakteriengemeinschaften nicht nur ihrer gewohnten Salinität, sondern auch einer veränderten Salinität ausgesetzt (marines Inokulum aus 28‰ mit ästuarinem Medium von 14‰ bzw. umgekehrt).
Unter beiden Bedingungen wurden die Huminsäuren durch die jeweiligen Bakteriengemeinschaften abgebaut. Es zeigte sich, dass die Bakteriengemeinschaften auf eine veränderte Salinität jeweils mit einem verstärkten Huminsäureabbau reagierten. Der größte Abbau fand innerhalb der ersten 21-28 Tage des Experiments statt. Anschließend ist nur noch frisch zugeführtes Substrat abgebaut worden. Das bereits zum Teil abgebaute Substrat im Kulturgefäß wurde nicht weiter bakteriell abgebaut. In der ersten Phase des Abbaus wurde eine hohe Dynamik der Bakterienzellzahlen und der Proteinproduktion beobachtet. Die Analysen der DGGE-Profile (denaturierende Gradienten Gelelektrophorese) zeigten ebenfalls große Variationen in der Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften während der ersten drei bis vier Wochen.
Zur phylogenetischen Einordnung der huminstoffabbauenden Bakterien ist einerseits eine Vielzahl von Bakterien aus den verschiedenen Ansätzen isoliert und über ihre 16S rRNA Gene klassifiziert worden. Außerdem wurden am letzten Inkubationstag in den Ansätzen vorhandene Bakterien über die Sequenzierung von DGGE-Banden identifiziert. Die Isolierung von huminstoffabbauenden Bakterien aus dem ostfriesischen Wattenmeer sowie die Analyse der DGGEBanden des letzten Inkubationstages ergab überwiegend Stämme, die den Alphaproteobacteria zugeordnet werden konnten. Ein deutlich geringerer Anteil der Isolate und DGGE-Banden fiel in die Gruppen der Gammaproteobacteria, Actinobacteria und Firmicutes. Dem gegenüber wurden die meisten Phylotypen aus dem Weserästuar den Gammaproteobacteria und Actinobacteria zugeordnet. In deutlich geringerer Zahl wurden Alphaproteobacteria und ein Vertreter der Betaproteobacteria isoliert bzw. in DGGE-Banden gefunden.
Um strukturelle Veränderungen der Huminstoffmoleküle zu verfolgen, wurden Proben des Mediums vor und nach der Inkubation mittels Pyrolyse-GC/MS analysiert und verglichen. Der Vergleich von eingesetzten Huminsäuren in beiden Kulturmedien zu den jeweiligen Huminsäurefraktionen nach den Inkubationen erbrachte eine deutliche Reduktion an identifizierbaren Substanzen. Diese Reduktion, zusammen mit der geringen Ausbeute an Huminsäuren nach den Inkubationen im Vergleich zur eingesetzten Huminsäuremenge bei Experimentbeginn, ist Folge eines primär bakteriellen Abbaus. Die Isolierung von Fulvinsäuren nach den Inkubationen, obwohl lediglich Huminsäuren als Kohlenstoffquelle eingesetzt wurden, ist sowohl auf bakteriellen Abbau als auch auf physiko-chemischen Zerfall zurückzuführen. Dieses zeigte sich anhand der geringen Unterschiede beim Verhältnis aromatischer zu aliphatischen Verbindungen in den Huminsäuren zu Beginn des Experiments verglichen mit den jeweils am Ende isolierten Fulvinsäuren. Insgesamt wurde deutlich, dass die Bakteriengemeinschaften sowohl aus Weserästuar als auch dem Wattenmeer unabhängig von der Salinität bevorzugt aliphatische Verbindungen und wenige aromatische Verbindungen wie z.B. 1,2,3-Trimethoxybenzol abbauen konnten. Bestimmte aromatische Verbindungen wie z.B. Ligninderivate scheinen also bakteriell kaum oder gar nicht abbaubar zu sein, was zu einer Akkumulation im Kulturmedium führte.
Zusammenfassend erbrachten die durchgeführten Experimente deutliche Anhaltspunkte dafür, dass in den Bereichen des ostfriesischen Wattenmeeres und des Weserästuars Bakteriengemeinschaften vorhanden sind, die refraktäres Material terrestrischen Ursprungs abbauen können.