Mikroskopisches Korrosionsmodell für Magnesiumlegierungen und Grenzen der elektrochemischen Rauschanalyse
Kalb, Hermann - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (2012)
Mg-Legierungen sind aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften und der guten Biokompatibilität vielversprechende Werkstoffe für den Einsatz als medizinische Implantatmaterialien. Zentrale Herausforderung ist das Einstellen der Korrosionsrate. Dies erfordert ein grundlegendes Verständnis der Abbauprozesse in körperähnlicher Umgebung, was die Zielsetzung dieser Arbeit war. Zur Modellierung der in vivo-Bedingungen wurden Simulated Body Fluids (SBF) verwendet.
Neben elektrochemischen Methoden und Ionenchromatographie wurden die Korrosionsvorgänge mit Lichtmikroskopie, Elektronenmikroskopie und energiedispersiver Röntgenanalyse untersucht. Auf dieser Basis wurde ein mikroskopisches Modell für die statische Korrosion von Magnesiumlegierungen in SBF entworfen. Das Modell beschreibt, wie kathodische Zentren zur Ablagerung vulkanförmiger Strukturen führen und die Korrosionsschichtbildung beeinflussen. Mikrokathoden bestehen im Fall der Legierung WE43 aus zirkoniumreichen Phasen (mit Anteilen von Fe und Ni), im Fall von Reinmagnesium aus eisenreichen Phasen. Es wird Lokalkorrosion mit starker Wasserstoffentwicklung und geschützten Bereichen in Umgebung der kathodischen Zentren beobachtet. Dies wurde durch eine Kombination von Querschliffen und Oberflächenanalysen erstmals zweifelsfrei nachgewiesen. Zwischen geschützten Bereichen findet starker Abtrag des Volumenmaterials statt. Konsistent mit in vivo-Ergebnissen an Stents entsteht eine zweigeteilte Konversionsschicht im Wesentlichen aus Mg(OH)2, Mg3(PO4)2 und Ca3(PO4)2. Das Modell ist universell für Selten-Erd-Mg-Legierungen und erlaubt eine Vorhersage des Korrosionsverhaltens auf Grundlage initialer Korrosionsprozesse. Viele homogen verteilte kathodische Zentren mit groÿen geschützten Bereichen führen bei Legierungen mit hohem Anteil Seltener Erden zu guter Korrosionsbeständigkeit.
Das Zulegieren Seltener Erden beeinflusst die Verteilung intermetallischer Phasen und die Zusammensetzung der Matrix hin zu stabileren Oxidschichten und geringeren galvanischen Potentialdifferenzen zwischen Partikeln und Matrix. Dynamische Auslagerungsversuche unterstreichen die Sensitivität der Mg-Korrosion auf den lokalen pH-Wert und verdeutlichen den Einfluss strömenden Elektrolyts. Für die lokalen Korrosionsvorgänge an Mg-Legierungen kommt die Methode des elektrochemischen Rauschens in Frage. Die Korrosion von Mg erfolgt unter starker Freisetzung von gasförmigem Wasserstoff. Der Signalbeitrag durch Blasenwachstum und -ablösen übersteigt den des Faraday'schen Ladungstransfers. Das Gasblasenverhalten hängt neben der Korrosionsrate jedoch auch von der Oberflächenporosität und -spannung, sowie der Elektrolytviskosität ab. Der Wert der Rauschanalyse für statische Magnesiumkorrosion in SBF ist damit limitiert. Eine verlässliche Interpretation bedarf einer zweiten, unabhängigen in situ-Methode.