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29.09.2024

12.10.2023

Software ist der Hardware Tod

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Programm-Code
Programm-Code (Pixabay [CCO])
Wer wie ich schon seit den 1980er Jahren Computer nutzt, hat im Laufe der Jahrzehnte Unmengen Elektroschrott produziert. Zum einen, weil sich die Performance der Geräte rasend schnell weiterentwickelt hat - das Mooresche Gesetz lässt grüßen. Zum anderen verlangte neue Software immer leistungsfähigere Endgeräte. Effiziente Software-Entwicklung - man könnte es auch sauberes Coden nennen - war nicht nötig, weil sich die Nutzer regelmäßig mit neuen und schnelleren Endgeräten eindeckten und diese Mängel gar nicht ins Gewicht fielen. Ein echter Teufelskreis!

Über Nachhaltigkeit und Elektroschrott hat sich damals auch noch kaum jemand Gedanken gemacht. Heute wird er immerhin an vielen Stellen eingesammelt, allerdings sind wir bei Recyclingquoten von unter 10 Prozent noch weit von einer echten Kreislaufwirtschaft entfernt. Das gilt hier wie auch in vielen anderen Bereichen, Stichwort Plastikmüll.

Inzwischen geht die Weiterentwicklung der Hardware deutlich langsamer voran, denn wir stoßen bei der Miniaturisierung von Schaltkreisen an Grenzen. Das Mooresche Gesetz, das besagt, dass sich die Anzahl der Transistoren auf einer Platine jedes Jahr verdoppelt, gilt seit ein paar Jahren nicht mehr. Daher können echte Effizienzgewinne heute eher durch die Optimierung von Software und den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Lastverteilung in modernen Cloud-Rechenzentren erreicht werden.

"Green Coding" ist der Fachterminus für nachhaltige Software-Programmierung. Viele Entwickler haben sich mit diesem Thema noch nie ernsthaft beschäftigen müssen oder haben Green Coding nie gelernt. Wenn ich mich zurückerinnere an meinem ersten Computer, einem Commodore 64, dann waren damals genau solche Fähigkeiten gefragt. Denn die 64 stand für die Größe des Arbeitsspeichers, das waren 64 Kilobyte. Eine eingebaute Festplatte gab es nicht und man arbeitete mit Kassetten-Laufwerken oder später mit Disketten, die maximal 1,4 Megabyte Daten speichern konnten.

Wenn wir diese Ausstattung mit unseren 8 Megabyte RAM-PC und einer 1 Terabyte SSD-Festplatte vergleichen, dann sieht man den Commodore 64 und alle anderen Computer dieser Zeit heute eher als Relikt der digitalen Steinzeit. Aber genau dahin müssen wir zurück: Ressourcen effizient ausnutzen, anstatt immer mehr Prozessor-Leistung und Speicherplatz zu fordern.

Das ist übrigens genau mein Thema, wenn ich mich mit der Nachhaltigkeit von Webseiten beschäftige. Dort werden oft kurzerhand leistungsfähigere Hosting-Pakete beim Provider geordert, denn die Kosten sind vernachlässigbar. Nur hat das diese Vorgehensweise durch einen höheren Stromverbrauch für die Hardware und mehr übertragenes Datenvolumen einen doppelten negativen Effekt auf die Klimabilanz. Viel sinnvoller, weil nachhaltiger, wäre das "Ausmisten" der Webseite!

Es gibt noch ein anderes großes Ärgernis, was viele Unternehmen betrifft. Es geht um Windows 11, ein ganz faules Ei, das Microsoft uns ins Nest gelegt hat. Der überwiegende Anteil der heute noch genutzten Desktop-PC konnte nicht von Windows 10 auf 11 aktualisiert werden, weil angeblich die Hardware dafür nicht geeignet sei. Es gibt natürlich findige Nerds, die im Internet Anleitung zur Umgehung dieser Warnung veröffentlicht haben. Ich habe es selbst mit einem 8 Jahre alten Laptop getestet und er läuft problemlos auch mit Windows 11. Das ist natürlich keine Option für beruflich genutzte Rechner, zeigt aber die Problematik zwischen Hard- und Software sehr gut auf.

Die Quittung für Microsoft ist eine schallende Ohrfeige durch die Nutzerzahlen. Denn laut Statcounter läuft aktuell nur auf 23,6 Prozent aller Windows PC die Version 11 und auf 71,6 Prozent immer noch Windows 10. Spannend wird es im Oktober 2025, denn dann soll der Support von Windows 10 enden. Ob dann der große Hardware-Tausch kommt? Wird Microsoft doch gezwungen, den Support zu verlängern? Oder wird die Installation von Windows 11 auf mehr älteren Geräten offiziell erlaubt?

Es gibt zahlreiche weitere Beispiele, wie fehlende Betriebssystem-Updates auf älteren Smartphones. Wenn wichtige Software wie die Corona-App oder die App zum Online-Banking nicht mehr läuft, wird man quasi gezwungen, sich ein neues Smartphone zu kaufen.

Immerhin hat die EU das Problem erkannt und will ein Recht auf Updates ebenso verpflichtend einführen wie ein Recht auf Reparatur. Wenn man bedenkt, dass bis zu 80 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines Smartphone auf die Herstellung entfallen, ist dieser Schritt mehr als überfällig.

Der US-amerikanische Bauingenieur und Technikhistoriker Henry Petroski hat dieses unheilvolle und alles andere als nachhaltige Wechselspiel sehr gut auf den Punkt gebracht:

Die größte Errungenschaft der Software-Industrie ist ihre kontinuierliche Neutralisierung der atemberaubenden Fortschritte der Hardware-Industrie.
Henry Petroski (1942-2023)

» Mehr über Henry Petroski

Autor:  

Dr. Torsten Beyer

Dr. Torsten Beyer

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