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30.06.2024

13.02.2020

Das Internet weiß alles - oder doch nicht?

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Das allwissende Internet
Foto: Gerd Altmann, Pixabay [CCO]
Wenn wir heute etwas nicht wissen, dann gehen wir schnell ins Internet und suchen nach einer Antwort. Wir nutzen dazu unseren stationären PCs, Mobilgeräte oder virtuelle Assistenten mit den Namen Siri, Alexa, Bixby, Cortana oder den Google Assistant. Interessanterweise sind das bis auf einen alles weibliche Vornamen, aber vielleicht liegt es daran, dass die Software dafür mehrheitlich von Männern entwickelt wurde? Oder weil Männer nie nach dem Weg fragen und man eine glaubwürdigere Instanz schaffen wollte?

Das Wort "googeln" steht übrigens schon seit 2004 im Duden und wurde dort ursprünglich als Synonym für "im Internet, besonders in Google suchen" eingetragen. Dass Google den Eintrag mit anwaltlichem Druck im Jahr 2006 aus Angst vor dem Verlust des Markenschutzes abändern ließ in "mit Google® im Internet suchen", ist dabei nur eine Randnotiz. Denn googeln bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch heute "im Internet suchen", mehr kann eine Marke in ihrem Geltungsbereich nicht erreichen, ungefähr so wie "Hast Du mal ein Tempo?".

Dass wir alles und jeden googeln können, hat auch Folgen. Viele Diskussionen um Daten und Fakten werden so im Keim erstickt oder finden gar nicht mehr statt, weil jemand sein Handy zückt. Leider ist es aber oft auch so, dass Falschmeldungen (oder neudeutsch "Fake News") oder bewusste Meinungsmache und Lobbyarbeit das Internet fluten und man viele Themen gar nicht mit der Schwarz-/Weißbrille betrachten kann, Stichwort Klimawandel, Elektromobilität oder Feinstaub. Denn Sprachassistenten geben immer nur ein Suchergebnis auf eine Frage wieder, was Manipulationsversuchen Tür und Tor öffnet.

Ein weiteres Problem ist, dass man nicht alles und jeden googeln kann. Viele Informationen, die vor dem Jahr 2000 veröffentlicht wurden, sind bisher noch nicht digitalisiert worden und stehen unter Umständen nur in Büchern. Vieles wurde inzwischen nachträglich digitalisiert unter anderem für die Büchersuche von Google. Grau Literatur wie Konferenzberichte, Bachelor-, Master-, Diplom- oder Doktorarbeiten sind bisher nicht digitalisiert und daher auch im Jahr 2020 nicht sinnvoll recherchierbar. Oder hinter kostenpflichtigen Logins auf Verlagsseiten verborgen und damit für die breite Masse unsichtbar. Daher kann man sich auch heute nie sicher sein, dass man die richtigen Informationen gegoogelt hat, denn auch mit Google kann man nur auf einen Bruchteil des verfügbaren Weltwissens zugreifen.

Und wenn wir in den Bereich der Informationen über Personen gehen, wird es noch schwieriger. Dank Social Media kann jeder heute sein ganzes Leben im Internet protokollieren, aber stimmt das auch immer alles? Werden hier nicht auch viele Gerüchte gestreut und Unwahrheiten auch automatisiert verbreitet? Und gerade in diese Netzwerke kann Google nur sehr eingeschränkt oder gar nicht hereinschauen, weil sich die Betreiber wie Facebook ihre eigene Welt mit ihren eigenen Daten aufbauen.

Und was ist mit den - zugegeben immer weniger werdenden - Zeitgenossen, die nicht alles online teilen und sich ihre Anerkennung weniger über Likes, wischen nach rechts oder positive Kommentare als über ihr Umfeld suchen. Sind sie heutzutage nahezu unsichtbar oder setzen sich, wie der Publizist Ernst Probst einmal geschrieben hat, der folgenden Gefahr aus:

Wer im Internet nicht zu finden ist, erweckt den Verdacht, er habe gar nicht existiert.
Ernst Probst (*1946)

» Mehr über Ernst Probst

» Duden-Eintrag "googeln"

Autor:  

Dr. Torsten Beyer

Dr. Torsten Beyer


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