07.11.2018
Der kleinste Chemie-Reaktor der Welt - gebaut aus einem einzigen Protein
In einer lebenden Zelle laufen gleichzeitig tausende verschiedener chemischer Reaktionen ab. Viele dieser chemischen Reaktionen produzieren reaktive oder giftige Verbindungen, die Zellen schädigen oder sogar töten können. Wie schützen sich Lebewesen gegen diese schädlichen Intermediate? Nun haben Max-Planck-Wissenschaftler entdeckt, dass manche Zellen Nano-Reaktoren aus Proteinen produzieren, in denen sie gefährliche chemische Reaktionen kontrolliert ablaufen lassen
Ein Team um Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg studierte das bakterielle Enzym Propionyl-CoA Synthase, das drei verschiedene Reaktionen katalysiert. Eine dieser Reaktionen produziert die reaktive Verbindung Acrylyl-CoA, die chemisch mit dem Gefahrstoff Acrylamid verwandt ist, welches in den 2000er weltweit zweifelhafte Berühmtheit erlangte. Die Max-Planck-Forscher interessierten sich dafür wie die bakteriellen Zellen, die Propionyl-CoA Synthase verwenden, sich selbst gegen das giftige Acrylyl-CoA, das durch das Enzym entsteht, schützen.
"Als wir die Struktur der Propionyl-CoA Synthase lösten, waren wir völlig überrascht. Das Enzym bildet einen kleinen Nano-Reaktor, der eine zentrale Reaktionskammer enthält, in der alle Reaktionen ablaufen und in der das Acrylyl-CoA regelrecht festgehalten wird", erklärt Iria Bernhardsgrütter, die Erstautorin der Studie. "Sogar als wir die Reaktionssequenz des Enzymes störten, hielt es dicht, ohne dass Acrylyl-CoA aus dem Inneren des Enzyms leckte."
Aber wie kontrolliert der Nano-Reaktor, welche Intermediate er in seinem Inneren behält? Der Trick ist eine dynamische Regulation. Die erste Reaktion des Enzyms verursacht, dass die Reaktionskammer versiegelt wird, so wird das gefährliche Acrylyl-CoA ausschließlich im Inneren des geschlossenen Enzyms produziert. Die zentrale Kammer wird erst dann wieder geöffnet, nachdem das Acrylyl-CoA in ein harmloses Produkt umgesetzt wurde.
"Es ist absolut faszinierend, wie die Natur diesen kleinen Enzym-Reaktor gebaut hat, der so raffiniert reguliert wird", sagt Tobias Erb, der Leiter der Studie. Biologen hatten zwar schon Protein-Container in Zellen beschrieben, aber der den die Max-Planck-Wissenschaftler entdeckten ist bei weitem der kleinste Container, der bisher entdeckt wurde. Mit einem Volumen von lediglich 33 nm3 ist er 1024 - oder ein Billion Billionstel Mal - kleiner als ein Fußball. Darüber hinaus dazu zeigt er das präzise kontrollierte Öffnen und Schließen.
"Wir hoffen nun mehr über das Bauprinzip dieses wunderbaren Biokatalysators zu erfahren", erzählt Erb. "Stellen Sie sich vor, wir wären in der Lage solche Reaktoren für die chemische Industrie zu bauen. Der Einsatz solcher Enzym-Reaktoren könnte uns helfen in der Zukunft gefährliche Reaktionen in der chemischen Produktion umweltfreundlich und nachhaltig ablaufen zu lassen." Neben der Unterstützung der Max-Planck-Gesellschaft wurde die Studie durch das US-amerikanische Energieministerium und dem Sonderforschungsbereich 987 der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.
Quelle: Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie (MPIterMic)