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07.12.2024

11.11.2015

Neue Erkenntnisse zur Betonkorrosion durch Mikro-Röntgenstrukturanalyse


Wenn Brücken, Staumauern und Betonfundamente bröckeln, dann ist oft AAR die Ursache: die Alkali-Aggregat-Reaktion. Die AAR wird durch eindringende Feuchtigkeit ausgelöst, schädigt weltweit Betonbauwerke und macht Sanierungen oder Neubauten nötig. Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI und der Empa haben nun erstmals das die Kristallstruktur des AAR-Abbauprodukts entschlüsselt - ein erster Schritt zu einem möglichen Gegenmittel.

Eine zersetzende Alterserscheinung von Beton haben Forschende am Paul Scherrer Institut PSI gemeinsam mit Kollegen des Materialforschungsinstituts Empa untersucht: Die sogenannte Alkali-Aggregat-Reaktion (AAR). Im Zuge der AAR entsteht ein Material, das mehr Raum einnimmt als der ursprüngliche Beton und letzteren im Laufe von Jahrzehnten langsam von innen heraus sprengt.

Den genauen Aufbau dieses Materials haben die Forscher nun ergründet. Sie konnten zeigen, dass hier die Atome sehr regelmäßig angeordnet sind, es sich also um einen Kristall handelt. Auch den Aufbau dieses Kristalls haben sie entschlüsselt: Es ist eine Silizium-Schichtenstruktur, die in dieser Form noch nie zuvor beobachtet wurde. Diese Erkenntnis verdanken die Forschenden Messungen an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI. Die Ergebnisse könnten helfen, zukünftig langlebigeren Beton zu entwickeln.

Die Idee zur Strukturanalyse am PSI kam von Andreas Leemann, Forscher im Bereich Betontechnologie an der Empa. Leemann beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema AAR, doch bislang konnte nur die chemische Zusammensetzung des Reaktionsprodukts bestimmt werden, welches den Beton sprengt. Die Struktur war bislang unbekannt - in der Literatur war bislang meistens von einem Gel die Rede. Diese Annahme konnte das Forscherteam nun widerlegen. "Die Risse im Beton, in denen sich das Material ausdehnt, sind typischerweise 5 bis 50 Mikrometer breit - zu klein für eine klassische Röntgenstrukturanalyse", erläutert Leemann. Erst mit der speziell fokussierten Strahlung am SLS war es möglich, die winzigen Kristalle zu erkennen und zu charakterisieren.

Lichtmikroskopische Aufnahmen eines Gesteinskorns in einem AAR-geschädigten Beton zeigten, dass die AAR das Gesteinskorn sprengt. Der Riss weitet sich allmählich und wird durch das Reaktionsprodukt der AAR gefüllt. Jedes Mal, wenn Feuchtigkeit eindringt, quillt das Füllmaterial, übt Druck aus und vergrößert den Riss erneut.

Weltweites Problem

Die AAR ist eine chemische Reaktion, die weltweit Betonbauten unter freiem Himmel betrifft. Sie kann auftreten, wenn Beton Feuchtigkeit ausgesetzt ist. In der Schweiz sind zahlreiche Brücken und bis zu 20 Prozent der Staumauern von AAR betroffen. Die Proben für die Forschungsarbeit stammen von einem Brückenfundament aus Stahlbeton in Graubünden, das 1969 erstellt wurde.

Bei der AAR sind die Zutaten des Betons selbst das Problem: Zement - der Hauptbestandteil von Beton - enthält Alkalimetalle wie Natrium und Kalium. In den Beton eindringende Feuchtigkeit wird dadurch zu einer Lauge. Die zweite Hauptzutat von Beton sind Sand und Kies. Diese wiederum bestehen unter anderem aus Silkaten, beispielsweise Quarz oder Feldspat. Mit diesen Silikaten reagiert nun das alkalische Wasser und führt zur Bildung von sogenanntem Alkali-Kalzium-Silikat-Hydrat. Dieses kann Feuchtigkeit aufnehmen, dehnt sich aus und sprengt mit der Zeit den Beton von innen. Dieser gesamte Prozess nennt sich Alkali-Aggregat-Reaktion AAR.

Der Prozess startet typischerweise fünf bis zehn Jahre, nachdem die Brücke gebaut worden ist. Zunächst entstehen winzige Risse, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind. Im Laufe von drei, vier Jahrzehnten wachsen die Risse auf beträchtliche Breite und bedrohen schließlich die Dauerhaftigkeit des gesamten Bauwerks.

Ein neuer Kristall

Auch wenn die chemischen Vorgänge der AAR schon lange bekannt sind - die physikalische Struktur des im Zuge der AAR entstehenden Alkali-Kalzium-Silikat-Hydrats hatte bisher noch niemand identifiziert. Diese Wissenslücke konnten die Forschenden des PSI und der Empa nun schließen. Das Probenstück aus der 1969 erbauten Brücke in Graubünden wurde an der Empa so lange heruntergeschliffen, bis eine hauchdünne Probe von nur 0,02 Millimeter Dicke übrig blieb. Diese Probe ließ sich an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS mit einem extrem schmalen Röntgenstrahl durchleuchten, der 50 Mal dünner ist als ein menschliches Haar. Mittels sogenannter Diffraktionsmessungen und einer aufwendigen Datenanalyse konnten die PSI-Forschenden schließlich die Kristallstruktur des Materials genau bestimmen.

Es zeigte sich, dass das Alkali-Kalzium-Silikat-Hydrat eine bisher nie dokumentierte Silizium-Schichten-Kristallstruktur aufweist. "Normalerweise darf derjenige, der einen noch nicht katalogisierten Kristall entdeckt, diesem einen Namen geben", erklärt PSI-Forscher Rainer Dähn. "Allerdings muss es sich um einen in der Natur gefundenen Kristall handeln. Daher sind wir in diesem Fall nicht zu der Ehre gekommen", so der Forscher schmunzelnd. Die Kenntnisse über die Kristallstruktur könnte bald dabei helfen, den Betonkrebs in den Griff zu bekommen: "Es gibt prinzipiell die Möglichkeit, dem Beton organische Stoffe beizumengen, die den Spannungsaufbau reduzieren können", sagt Empa-Forscher Leemann. "Unsere Ergebnisse stellen diese Überlegungen nun auf ein wissenschaftliches Fundament und könnten die Basis zu neuen Materialentwicklungen sein."

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Quelle: Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA)