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01.07.2024

13.09.2011

microRNAs: Winzlinge im Blut mit großer Wirkung

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Viele Tumorerkrankungen sind mittlerweile gut heilbar. Die einzige Voraussetzung: Der Krebs muss möglichst frühzeitig erkannt werden. Bislang fehlten jedoch zuverlässige Verfahren zur Früherkennung, manche Tumore werden erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Es fehlten auch geeignete Biomarker, die Hinweise auf schwere Erkrankungen in einem Stadium geben können, in dem die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist. Diese unbefriedigende Situation haben Forscher aus Heidelberg und Kiel zum Anlass genommen, um in einer breit angelegten Studie im Blut von Tumorpatienten und anderen, chronisch kranken Personen nach diagnostisch verwertbaren Strukturen zu fahnden, mit denen sich krankhafte Veränderungen bereits in einem frühen Stadium erkennen lassen.

microRNAs geben Hinweise zur Früherkennung von 14 Krankheiten

Die Forschungsergebnisse liegen nun vor - und sind in zweifacher Hinsicht ein Erfolg: Das Forscherteam hat herausgefunden, dass so genannte mircroRNAs, das sind kleine Moleküle, die auf bestimmten Abschnitten der RNA-Stränge lagern, einen wichtigen Hinweis in der Früherkennung bei 14 schwer diagnostizierbaren Erkrankungen liefern, darunter Tumorerkrankungen der Bauchspeicheldrüse, der Prostata oder des Magen-Darm-Traktes sowie Multiple Sklerose, Sarkoidose und Parodontitis. Die microRNAs kodieren - anders als ihre Verwandten, die RNA genannten Ribonukleinsäuren - nicht bestimmte Proteine, sie beeinflussen indirekt die Proteinproduktion und spielen eine wichtige Rolle in dem komplexen Geschehen der Genregulation in den Zellen. Damit sind sie an vielen Krankheits- und zellulären Anpassungsprozessen beteiligt. Bedingt durch ihre geringe Größe, ein Molekül umfasst durchschnittlich nur 22 Buchstaben, sind mircroRNAs besonders stabil im Blut.

Neuartiges Testverfahren im Einsatz

Bei der Studie waren Wissenschaftler aus ganz Deutschland beteiligt. Für ihre Untersuchungen verwendete das Forschungsteam ein von dem Bioinformatiker Dr. Andreas Keller an der Universität des Saarlandes entwickeltes Biomarkerkonzept. Dieses Testverfahren ist in der Lage, den Informationsgehalt von über 100 microRNAs zu berücksichtigen und ermöglicht so eine beeindruckende Sensitivität, Spezifität und Genauigkeit. Die Studie wurde von dem Heidelberger "Biomarker Discovery Center" koordiniert, die Umsetzung erfolgte mit Unterstützung von Professor Andre Franke, Dr. Abdou ElSharawy und ihrem Team sowie der Kieler Biobank popgen, die alle Mitglieder im Exzellenzcluster Entzündungsforschung sind.

Andre Franke kommentiert die Studie: "Das Ergebnis gibt Anlass zur Hoffnung. Die Biomarker microRNAs zeigen spezifische Krankheiten in einem Stadium an, in dem sie bislang nicht diagnostiziert werden konnten. Die Trefferquote von microRNAs war in vielen Fällen sehr hoch. Wir konnten die Profile dieser Biomarker und die Unterschiede zwischen microRNAs bei Kranken und Gesunden ermitteln. Damit zeigen wir, dass diese Biomarker entscheidende Hinweise auf einzelne Krankheitsbilder geben können. Gemessen an den Tests, die bisher existieren, ist das ein sehr gutes Abschneiden."

Abdou ElSharawy ergänzt: "Insgesamt hat der Test eine hohe Spezifität für die einzelnen Krankheitsbilder gezeigt, die diagnostisch gut voneinander und von gesunden Kontrollgruppen unterschieden werden konnten. Erste vielversprechende Daten zeigen auch einen Einsatz der microRNA-Biomarker bei der Unterscheidung der beiden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. In vielen Fällen erfolgt hier die richtige Diagnose erst Jahre nach der ersten Behandlung, was das Potential dieser neu entdeckten Biomarker unterstreicht. Denn oft wird auf Grund der falschen Diagnose auch entsprechend falsch therapiert."

Startschuss für weitere Untersuchungen

Die Wissenschaftler hoffen nun, mit einem einzigen Bluttest eine Vielzahl von Erkrankungen mit hoher Zuverlässigkeit diagnostizieren und unterscheiden zu können. Bis es soweit ist, kann allerdings noch einige Zeit verstreichen: "Da ist noch viel Arbeit, viel Geld und einiges an Untersuchungen notwendig, bis tatsächlich ein marktreifes Produkt die Zulassung erhält", glaubt Andre Franke.

» Originalpublikation

Quelle: idw / Exzellenzcluster Entzündungsforschung