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10.10.2024

02.10.2024

Mikrostruktur von hochreaktiven Alkalimetallen in Festkörperbatterien bestimmen

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Lithium- und Natriummetallanoden spielen für die weitere Entwicklung von leistungsfähigen Festkörperbatterien eine zentrale Rolle. Um die elektrochemischen Eigenschaften dieser hochreaktiven Alkalimetalle günstig zu beeinflussen, ist die Kenntnis ihrer Mikrostruktur notwendig.

Erstmals konnte nun über eine an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam aus den USA und Kanada entwickelte Methode die Mikrostruktur der in einer Batterie abgeschiedenen Alkalimetalle aufgeklärt werden.

Die Aufklärung der Mikrostruktur von Lithium oder Natrium ermöglicht gänzlich neue Ansätze, die Eigenschaften der Batterie zu beeinflussen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift "Nature Materials" veröffentlicht worden.

Die Mikrostruktur von Metallen - also der innere Aufbau auf der Skala von einigen Nanometern bis zu einigen Mikrometern - kann entscheidend für deren elektrochemische Eigenschaften sein. Bei den meisten der heute technologisch genutzten Metalle ist diese Struktur intensiv untersucht, und in vielen Fällen können durch gezielte Kontrolle der Mikrostruktur ganz besondere Eigenschaften erreicht werden. Anders sah es bislang bei den Batterien genutzten Alkalimetallen Lithium und Natrium aus.

Das liegt daran, dass diese Metalle chemisch sehr reaktiv sind. Ihre Oberflächen überziehen sich nahezu sofort in nahezu allen Umgebungen mit Korrosionsschichten, wodurch die Aufklärung ihrer Mikrostruktur unmöglich wird. Doch nun haben die Forschenden aus Materialwissenschaft und Chemie der JLU, der University of California, Santa Barbara (USA) und der University of Waterloo (Kanada) erstmals einen Weg zur Bestimmung der Mikrostruktur sowohl von elektrochemisch abgeschiedenem Lithium- als auch Natriummetall demonstriert.

Hierfür entwickelte das Gießener Team unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Janek vom Physikalisch-Chemischen Institut der JLU eine Kette von Präparations- und Untersuchungsschritten bei sehr tiefen Temperaturen und unter Schutzgas, an deren Ende die Bestimmung der lokalen Metallstruktur mittels sogenannter Elektronenrückstreubeugung steht. Das Team konnte mit dieser Methode zeigen, wie elektrochemisch gewachsene Metallschichten aus Lithium- und Natriummetall mit Dicken im Bereich von bis zu 100 Mikrometern aufgebaut sind.

"Die Korngröße der erzeugten Schichten war für uns überraschend, und die Ergebnisse geben wichtige Hinweise auf den Wachstumsmechanismus", so Janek, der auch Mitglied des Exzellenzclusters POLiS - Post Lithium Energy Storage ist. "Die Erkenntnisse zum Natriummetall werden darüber hinaus einen starken Impuls für die Arbeit in POLiS setzen, dessen Mission die Erforschung unter anderem von Natriumbatterien ist."

Mit der Entwicklung von Festkörperbatterien ist die Hoffnung auf besonders leistungsfähige, sichere und langzeitstabile elektrochemische Energiespeicher verbunden. Der Einsatz von keramischen festen Elektrolyten könnte es ermöglichen, Elektroden aus den Alkalimetallen Lithium und Natrium in Hochleistungsbatterien einzusetzen. Bislang gibt es allerdings noch Probleme beim Einsatz von Metallelektroden, insbesondere wegen der starken Neigung der Metalle zur Formveränderung bei der elektrochemischen Nutzung. Dies betrifft sowohl den Lade- als auch den Entladevorgang.

So bilden sich zum einen Poren im Metall bei der Entladung einer Batterie. Bei der Abscheidung des Metalls im Ladeschritt kommt es hingegen oft zur Bildung von mikroskopisch kleinen Metallstrukturen, sogenannten Dendriten, die Kurzschlüsse erzeugen. Auf dem Weg zu leistungsfähigeren Feststoffbatterien, die mit herkömmlichen Lithiumionenbatterien konkurrieren können, soll das Lithiummetall (oder das Natriummetall) erst im ersten Ladeschritt überhaupt gebildet werden, um die kostenträchtige Handhabe von sehr reaktiven Alkalimetallfolien zu umgehen.

Die Entwicklung von Festkörperbatterien wird seit etwa zehn Jahren durch intensive Forschungsarbeiten weltweit vorangetrieben; das Gießener Team um Prof. Janek gehört zu den weltweit führenden Arbeitsgruppen. Seit Jahren arbeitet Prof. Janek erfolgreich mit den Teams in Santa Barbara und Waterloo zusammen, die an dieser Studie maßgeblich beteiligt waren.

"Die Abbildung der Mikrostruktur von Lithium und Natrium galt als sehr schwierig und war bisher nur selten berichtet worden - und dies auch nur von einfachen Folienoberflächen. Es ist den beiden Erstautoren unserer Studie nun auf Basis von sehr sorgfältigen Vorarbeiten gelungen, Lithium- und Natriumelektroden zu schneiden, dann im Querschnitt zu präparieren und mittels Elektronenrückstreubeugung abzubilden", fasst Janek die Ergebnisse zusammen.

"Dieser Erfolg ist nur durch die sehr konsequente Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten an der JLU und die hervorragende Ausstattung des Zentrums für Materialforschung gelungen. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen in Santa Barbara und Waterloo war für die richtige Materialauswahl mitentscheidend."

Beteiligt an der Studie waren folgende Forscher aus den Fachgebieten Materialwissenschaft und Chemie: Dr. Till Fuchs, Till Ortmann, Juri Becker, Maya Ziegler, Prof. Dr. Marcus Rohnke, Dr. Boris Mogwitz, Dr. Klaus Peppler und Prof. Dr. Jürgen Janek (alle JLU), Dr. Catherine G. Haslam und Prof. Dr. Jeff Sakamoto (beide University of California, Santa Barbara, USA), sowie Vipin Kumar Singh und Prof. Dr. Linda F. Nazar (beide University of Waterloo Kanada).

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die Arbeit an Lithiumelektroden im Rahmen des Kompetenzclusters "FestBatt" sowie der Deutsch-Amerikanischen Projektförderung finanziell unterstützt. Die Arbeit an Natriumelektroden wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (Exzellenzcluster POLiS).

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Quelle: Universität Gießen