16.05.2024
Ultraschnelle Elektronenmikroskope der nächsten Generation entwickeln
Mit Elektronenmikroskopen untersuchen Wissenschaftler das Innere von Materialien mit ultrahoher räumlicher Auflösung. Möglichst umfassend zu verstehen, was im Inneren von Materialien passiert, kann zum Beispiel bei der Entwicklung von effizienteren Halbleitern oder langlebigeren Solarzellen helfen.
Nahid Talebi, Professorin für Nano-Optik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), will eine nächste Generation von Elektronenmikroskopen entwickeln, mit denen sich auch ultraschnelle Prozesse auf der Nanoskala untersuchen lassen. Die VolkswagenStiftung fördert sie dabei mit 926.200 Euro über das Programm "Momentum" für Professoren am Anfang ihrer Karriere. Talebi ist die erste Wissenschaftlerin der CAU, die eine solche Förderung erhält.
Pionierarbeit zur Wechselwirkung von Elektronen und Photonen
"Ich freue mich sehr über diese Förderung. Sie ermöglicht mir, einen neuen Schritt in meiner Forschung zu gehen und mein Forschungsteam weiter zu stärken", sagt Nahid Talebi. 2019 trat die Physikerin ihre erste eigene Professur an der CAU an, baute ihre Arbeitsgruppe "Nanooptik" auf, stattete eigene Labore aus und etablierte ihr Lehrangebot für Studierende.
Genau hier, am Anfang der Karriere, setzt das "Momentum"-Programm der VolkswagenStiftung an: Damit sollen Forschende im Hochschulalltag mehr Freiräume für kreative Forschung und Lehre sowie die inhaltliche und strategische Weiterentwicklung ihrer ersten eigenen Professur erhalten. Talebi hat bereits Pionierarbeit in dem aufstrebenden Forschungsgebiet der ultraschnellen Elektronenmikroskopie geleistet. Sie kombiniert theoretische und experimentelle Ansätze und wurde bereits mehrfach vom Europäischen Forschungsrat gefördert.
In Elektronenmikroskopen werden Elektronen zu einem Strahl gebündelt, beschleunigt und auf eine Materialprobe gerichtet. Aus der Art und Weise, wie die Elektronen die Probe durchdringen oder von ihr reflektiert werden, lassen sich Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Materials und auch auf die in ihm ablaufenden Prozesse ziehen. Talebi untersucht die Wechselwirkungen, die zwischen Elektronen und Photonen (Lichtteilchen) auftreten, wenn der Elektronenstrahl mit einer Lichtquelle kombiniert wird.
Hierbei kommt es zu quantenmechanischen Effekten, die die zeitliche Auflösung von Elektronenmikroskopen deutlich verbessern. Talebi hat zum einen eine Methode entwickelt, um diese Wechselwirkungsprozesse theoretisch zu simulieren. Zum anderen hat sie eine experimentelle Plattform entwickelt und realisiert, um die quantenmechanische Dynamik zu zeigen, wenn Material durch einzelne Photonen angeregt wird, die von Lichtquellen wie sogenannten Defektzentren und Exziton-Polaritonen ausgesendet werden.
Quantenprozesse bis ins kleinste Detail untersuchen
Im Rahmen der Momentum-Förderung wird Talebi die Quantenelektrodynamik mit einer Kombination aus theoretischen und experimentellen Methoden im Projekt QuSensEM (Quantum Sensitive Measurements with Electron Microscope) weiter erforschen. "Elektronen, die mit vielen optischen Systemen wechselwirken, können wir zur Erzeugung einzelner Photonen nutzen", so Professorin Nahid Talebi.
Die Quanteneigenschaften dieses Lichts sowie die Anzahl und die quantenmechanische Verschränkung der erzeugten Photonen will die Physikerin jetzt näher untersuchen. "Über die Position, an der das Elektron mit der Materialprobe wechselwirkt, können wir die Erzeugung der Photonen steuern. Mit präzisen Elektronenoptik-Technologien sind wir in der Lage, diese Position präzise zu kontrollieren. Mit anderen Lichtquellen wie Quantenpunkten und Defektzentren funktionierte das bisher nicht."
Durch die Kombination von Elektronenmikroskopen mit neuen photonischen Systemen und mit mehr Wissen über die Eigenschaften der erzeugten Photonen, könnten Elektronenmikroskope für fortschrittliche quantensensitive Messungen und quantenoptische Untersuchungen genutzt werden, so Talebi. "Wenn man das mit ultraschnellen Elektronenmikroskopen kombiniert, erhält man ein Instrument, mit dem sich Quantenprozesse in Zeit, Energie und Raum bis ins kleinste Detail untersuchen lassen."
Quelle: Universität Kiel