05.10.2022
Oxidation von Wasserstoff mit kombinierten Elektronenmikroskopie-Methoden beobachten
TU Wien und FHI Berlin gelang es, eine katalytische Reaktion mit drei verschiedenen Mikroskopen unter exakt gleichen Bedingungen in Echtzeit zu verfolgen. So gewinnt man Informationen, die keine der Methoden alleine preisgibt.
Man muss sehr genau hinsehen, um exakt zu verstehen, welche Prozesse an den Oberflächen von Katalysatoren ablaufen. Bei festen Katalysatoren handelt es sich oft um fein strukturierte Materialien aus winzigen Kristallen. Es gibt verschiedene Arten der Mikroskopie, mit denen man die chemischen Vorgänge an solchen Oberflächen verfolgen kann - beispielsweise mit ultravioletter Strahlung, Röntgenstrahlen oder Elektronen. Aber keine Methode alleine liefert ein vollständiges Bild.
Daher nutzten nun Forschungsteams der TU Wien und des Fritz-Haber-Instituts in Berlin einen neuartigen Ansatz, mit dem eine katalytische Reaktion gleich dreifach beobachtet werden kann - mit drei verschiedenen Oberflächenmikroskopien. So konnte man zeigen, dass sich bei der katalytischen Umwandlung von Wasserstoff und Sauerstoff in Wasser die Reaktionsfronten an der Kristalloberfläche nicht nur bemerkenswerte geometrische Muster bilden, sondern es konnte auch ein neuer Mechanismus der Ausbreitung dieser Fronten entdeckt werden. Gerade für klimarelevante Technologien, wie ökologisch saubere Energiegewinnung aus Wasserstoff, ist ein umfassendes Verständnis solcher Prozesse sehr wichtig.
Verschiedene Messungen in einem Gerät
"Viele wissenschaftlichen Fragen lassen sich nur beantworten, wenn man unterschiedliche Mikroskopie-Methoden an der gleichen Probe kombiniert, man spricht dann von korrelativer Mikroskopie", sagt Prof. Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien.
Allerdings ist das normalerweise mit Limitierungen verbunden. Man muss eine Probe aus einem Messgerät herausnehmen und dasselbe Experiment in einem anderen Mikroskop noch einmal durchführen. Oft sind dann, methodisch bedingt, die Umgebungsbedingungen völlig anders - manche Messungen finden im Vakuum statt, andere an der Luft. Oft sind auch die Temperaturen unterschiedlich. Außerdem kann es sein, dass man mit unterschiedlichen Geräten nicht dieselbe Stelle der Probe betrachtet - auch das kann das Ergebnis verändern. So ist es schwierig, die Ergebnisse der unterschiedlichen Messmethoden miteinander auf zuverlässige Weise zu kombinieren.
Ultraviolett, Röntgenstrahlen und Elektronen
Nun aber gelang es, drei unterschiedliche Mikroskopien so zu kombinieren, dass dieselbe Stelle derselben Probe bei denselben Umgebungsbedingungen untersucht wird. Man setzte dabei drei verschiedene Elektronenmikroskopien ein: zwei verschiedene Varianten der Photoemissionselektronenmikroskopie (photoemission electron microscopy, PEEM), nämlich UV-PEEM und X-PEEM und die niederenergetische Elektronenmikroskopie (low energy electron microscopy, LEEM).
Bei UV-PEEM und X-PEEM wird die Probenoberfläche mit Ultraviolettlicht bzw. mit Röntgenstrahlung beleuchtet. In beiden Fällen führt das dazu, dass Elektronen aus der Oberfläche emittiert werden. Diese Elektronen werden dann fokussiert, ähnlich wie Lichtstrahlen in einem optischen Mikroskop, und so erzeugen sie ein Echtzeitbild der Oberfläche und der Prozesse, die dort stattfinden.
In einem X-PEEM wird zusätzlich zwischen Elektronen unterschiedlicher Energien unterschieden. Indem man genau detektiert, welche Elektronen welche Energie haben, kann man die chemische Zusammensetzung der Probenoberfläche bestimmen. Dafür braucht man hochenergetische Röntgenstrahlung hoher Intensität - den Zugang dazu erhielt das Forschungsteam am Berliner Synchrotron (HZB, BESSY II).
Bei der LEEM-Technik bestrahlt man wiederum die Oberfläche mit einem Elektronenstrahl. Die Elektronen, die von der Oberfläche zurückgestreut werden, bilden dann die Probenoberfläche und die laufenden Prozesse, hier eine katalytische Reaktion, ab.
"Alle drei Mikroskopien nutzen also verschiedene Abbildungsmechanismen. Erst ihre Kombination ermöglichte es, verschiedene Aspekte der katalytischen Wasserstoffoxidation auf einer strukturell gleichen Stelle der Probe zu untersuchen", sagt Prof. Yuri Suchorski, der sich bereits seit 1974 mit Oberflächenmikroskopie beschäftigt. "Zusätzlich liefert die XPEEM-Technik chemischen Kontrast und erlaubt daher die Musterbildung an der Oberfläche mit der chemischen Zusammensetzung der Oberfläche und der an der Oberfläche befindlichen Reaktanten zu korrelieren, daher auch der Begriff der korrelativen Mikroskopie".
Zusehen, wie Wasserstoff zu Wasser oxidiert
So konnte man die Oxidation von Wasserstoff auf strukturell wohldefinierten mikroskopisch kleinen Regionen einer Rhodium-Folie (Strukturbestimmung durch Forscher des USTEM der TU Wien) nun vielseitig und in Echtzeit untersuchen. Dabei zeigte sich: Die Reaktion verbreitet sich wie eine Welle über die Oberfläche, dabei werden neuartige geometrische Strukturen sichtbar, auf die man noch nie zuvor gestoßen war: "Vor der sich ausbreitenden Reaktionswellenfront bilden sich lauter neue kleine Inseln katalytisch aktiver Bereiche, die die Fortpflanzung der Reaktion beschleunigen", sagt Prof. Rupprechter. "In Computersimulationen, die einer virtuellen Reaktions-Mikroskopie entsprechen, konnten wir die Entstehung dieser Inseln modellieren und erklären."
Durch den korrelativen Ansatz war es nun möglich, jeweils die größten Stärken der jeweiligen Mikroskopie-Methoden (Orts- und Energieauflösung, Gesichtsfeld, Vergrößerung bis in den Nanometerbereich) effektiv zu nutzen, und damit eine ablaufende katalytische Reaktion in nie dagewesener Detailtreue abzubilden.
Die Oxidation von Wasserstoff zu Wasser mit Hilfe fester Katalysatoren gehört zu den bedeutsamen Prozessen für die Energietechnik, etwa für Brennstoffzellen. Die Umwelt wird dabei nicht belastet, als Abgas entsteht nur reines Wasser. Für eine Entwicklung der neuen grünen Energiegewinnungstechnologien wird es auch in Zukunft wichtig sein, den laufenden katalytischen Reaktionen mit mehreren Augen gleichzeitig bei der Arbeit zuzuschauen, um feine Details der katalytischen Prozesse genau zu verstehen.
Quelle: Technische Universität Wien