Zum InhaltZur Navigation
Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
09.12.2024

10.12.2021

Zellstrukturen in nur wenigen Minuten dreidimensional abbilden


Virale Erreger wie das Coronavirus SARS-CoV-2 verändern die innere Struktur der Zellen, die sie befallen. Sichtbar werden diese Veränderungen erst mithilfe von besonders leistungsstarken bildgebenden Verfahren, deren Einsatz jedoch mit hohem Daten- und Zeitaufwand verbunden ist.

Ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam unter Leitung von Dr. Venera Weinhardt von der Universität Heidelberg hat nun ein spezielles Röntgenverfahren - die sogenannte Weichröntgentomographie - so optimiert, dass es innerhalb von Minuten hochauflösende dreidimensionale Bilder von ganzen Zellen und deren molekularer Struktur liefert.

"In der Zellbildgebung werden bevorzugt Rasterelektronenmikroskope eingesetzt, da diese sehr scharfe Bilder im Nanomaßstab liefern", erklärt Venera Weinhardt, Postdoktorandin am COS und am Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley (USA). "Mit dieser Technologie kann es jedoch gut eine Woche dauern, bis eine einzelne Zelle gescannt ist. Zudem werden enorme Datenmengen generiert, die mit hohem Aufwand analysiert und interpretiert werden müssen.

Mit der Weichröntgentomographie erhalten wir dagegen innerhalb von fünf bis zehn Minuten brauchbare Resultate." Ein hoher Durchsatz sei enorm wichtig, um eine Vielzahl an Zellen untersuchen zu können, betont der Molekularvirologe Prof. Dr. Ralf Bartenschlager, der mit seiner Abteilung am Universitätsklinikum Heidelberg gemeinsam mit Dr. Weinhardt an der bildlichen Darstellung infektions-assoziierter Veränderungen von Zellen arbeitet.

Nach den Worten des Wissenschaftlers ist im Gewebe oft nur ein Teil der Zellen infiziert. Nur diese geben Aufschluss über die Veränderungen, die unmittelbar durch die Infektion verursacht werden. Nach diesen Zellen mit Rasterelektronenmikroskopen zu suchen, ist jedoch nicht möglich.

Das auch als Soft X-ray Tomography (SXT) bekannte Verfahren der Weichröntgentomographie wurde bereits erfolgreich eingesetzt, um einzelne Viruspartikel, sogenannte Virionen, verschiedener Virenarten und damit verbundene Veränderungen in Zellen nachzuweisen. Nun nutzten die Wissenschaftler die Technik, um mit SARS-CoV-2-infizierte Zellkulturen aus Lungen- und Nierengewebe zu untersuchen. Mithilfe von weichen Röntgenstrahlen gelang es, komplette Zellen zu durchleuchten und deren Struktur innerhalb von fünf bis zehn Minuten dreidimensional abzubilden.

Zudem konnten die Forschenden Ansammlungen von SARS-CoV-2-Partikeln auf Zelloberflächen nachweisen sowie virusbedingte Veränderungen im Zellinneren identifizieren. So wurden unter anderem Strukturen sichtbar, die möglicherweise der Virusvermehrung und Virusverbreitung dienen.

Maßgeblich für das Gelingen war nach den Worten von Dr. Weinhardt, dass die Technik es erlaubt, fixierte - das heißt zur notwendigen Deaktivierung des Virus chemisch behandelte - Zellen zu untersuchen. Wie in der Elektronentomographie werden in der Weichröntgentomographie typischerweise flache Gitterstrukturen als Halterungen genutzt. Bei entsprechender Neigung kann sich die Dichte der Proben so verändern, dass einige Zellstrukturen nur verschwommen dargestellt werden. Zudem entstehen "blinde" Stellen, da aufgrund der Form der Halterung die Zellen nicht aus allen Winkeln gescannt werden können.

Zusätzlich besteht die Gefahr, dass Proben an dem Gitter anhaften oder sich darauf ausdehnen, so dass mehrere Tomogramme nötig werden, um eine ganze Zelle darzustellen. "Um diese Problematiken zu umgehen, sind wir auf gläserne Kapillargefäße mit zylindrischer Form umgestiegen. Während des Mikroskopie-Vorgangs lassen sich die in Rotation versetzten Proben um 360 Grad schwenken und aus allen Winkeln optimal erfassen", so die Wissenschaftlerin. Die Forschenden arbeiten jetzt daran, die Techniken zur Probenaufbereitung weiter zu verfeinern, die Auswertung der dreidimensionalen Bilddaten zu automatisieren und die Laborversion eines Soft-X-ray-Mikroskops zu entwickeln.

Die Heidelberger Forschungsarbeiten wurden finanziert aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), des Europäischen Forschungsrates (ERC) sowie des "Horizon 2020"-Rahmenprogramms der Europäischen Union. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Cell Reports Methods" veröffentlicht.

» Originalpublikation E-mail

Quelle: Universität Heidelberg