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14.12.2024

05.02.2020

Echtzeit-MRT mit Werner-von-Siemens-Ring ausgezeichnet


Die Zahl ist gigantisch: Jährlich werden weltweit im Rahmen der medizinischen Diagnostik etwa 100 Millionen Untersuchungen mit der sogenannten Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt - und jeder einzelne Tomograf weltweit nutzt die Technik, die der Physiker Jens Frahm aus Göttingen mit seiner Arbeitsgruppe entwickelt hat.

Der Professor, der die Forschungsgruppe Biomedizinische NMR am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie leitet, machte die Technik erst klinikreif. Denn in den Anfangstagen der MRT in den 1980er-Jahren dauerte eine einzige MRT-Schichtaufnahme noch Minuten. Frahms FLASH-Technologie machte Sekunden daraus - eine 100-fache Beschleunigung. Erst sie ermöglichte den Siegeszug der MRT.

Frahms neueste Entwicklung, FLASH 2, macht sie noch einmal schneller und ermöglicht Videos vom schlagenden Herzen oder anderen bewegten Körperorganen - in Echtzeit mit bis zu 100 Bildern pro Sekunde. Für seine Leistungen erhält Jens Frahm den Werner-von-Siemens-Ring, den wichtigsten deutschen Technikpreis.

Hätte Alfred Nobel einige Jahrzehnte später gelebt, dann gäbe es heute sicherlich einen Nobelpreis für bahnbrechende technische Entwicklungen. Das Vermächtnis eines anderen Visionärs füllte diese Lücke: Werner von Siemens war zeitlebens davon überzeugt, dass Wissenschaft und Technik untrennbar miteinander verbunden sind und Großes ermöglichen.

Seit 1916 zeichnet die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring deshalb alle zwei bis drei Jahre Menschen aus, die die Technikgeschichte entscheidend mitgeprägt haben. Der Preis in Form eines jeweils individuell gefertigten Ringes geht in diesem Jahr an Prof. Dr. Jens Frahm aus Göttingen. "Wir würdigen damit die enorme Leistung, die Frahm für die medizinische Diagnostik erbracht hat", erläutert Prof. Dr. Joachim Ullrich, Präsident der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring.

Frahm ist Physiker und spezialisierte sich früh auf biologische und medizinische Anwendungen. Bereits 1982 leitete er eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie zum Thema Magnetresonanztomografie (MRT), auch Kernspintomografie genannt. Die MRT war 1973 von Paul Lauterbur erfunden worden, hatte aber einen entscheidenden Nachteil: Sie war zu langsam. Daher setzte sich die vielversprechende Idee, ohne schädliche Röntgenstrahlen Bilder aus dem Inneren des Körpers zu bekommen, zunächst nicht durch.

Die Technik beruht darauf, dass ein starkes Magnetfeld die Wasserstoffatomkerne des menschlichen Körpers beeinflusst. Sie verhalten sich in einem starken Magnetfeld der MRT-Röhre wie kleine Magnete, die nach Anregung mit einem kurzen Radiowellenimpuls selber ein UkW-Signal ausstrahlen. Das kann man messen. So lassen sich Bilder von weichen Körpergeweben errechnen. Aber für jede Schicht musste man anfangs minutenlang messen. Jens Frahm kam auf die entscheidende Idee, für jede der sehr vielen Einzelmessungen eines MRT-Bildes immer nur einen Teil des verfügbaren MRT-Signals zu nutzen.

Mit diesem physikalischen Trick, dem FLASH-Verfahren, konnte er die Pausen zur Signalerholung vollständig eliminieren und die Messzeit radikal um das Hundertfache beschleunigen. Das war der Durchbruch für die MRT. Heute wird die Technik genutzt, um verschiedenste Fragen zu beantworten: Gibt es bei einer Person Auffälligkeiten im Hirngewebe? Wurden bei einem Unfallopfer innere Organe verletzt? Liegt ein Bandscheibenvorfall vor? Hat das Herz Schaden genommen?

Im Jahr 2010 machten Frahm und sein Team schließlich den Weg frei für Videoaufnahmen mit der MRT, indem sie die Methode noch einmal deutlich schneller machten. FLASH2, die Echtzeit-MRT, beruht auf einem neuen mathematischen Verfahren für die Bildrekonstruktion, das eine Berechnung aus nur noch sehr wenigen Einzelmessungen ermöglicht, die entsprechend weniger Messzeit benötigen. Damit sind Filmaufnahmen des atmenden Brustkorbs, des schlagenden Herzens auf der Suche nach Herzrhythmusstörungen, von Gelenken bei der Arbeit oder komplexer Abläufe wie Sprechen oder Schlucken möglich - mit 30, 50 oder gar 100 Bildern pro Sekunde.

Die neue Technik könnte in Zukunft auch genutzt werden, um minimalinvasive Eingriffe zu begleiten, die bisher unter Röntgenkontrolle durchgeführt werden. Die Echtzeit-MRT wird derzeit an der Universitätsmedizin Göttingen und mehreren anderen Universitäten in Deutschland, Großbritannien und den USA für den routinemäßigen Einsatz am Patienten getestet.

Jens Frahm studierte Physik an der Universität Göttingen und forschte für seine Doktorarbeit in physikalischer Chemie am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Im Anschluss arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent am Institut und leitet dort seit 1982 die selbstständige Forschungsgruppe Biomedizinische NMR. Er habilitierte 1994 an der Universität Göttingen und wurde im Jahr 1997 zum außerplanmäßigen Professor an die dortige Fakultät für Chemie berufen.

Jens Frahm ist als Erfinder von vier europäischen Patenten gelistet. Für seine Forschungsarbeiten wurde Jens Frahm mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem European MRI Award der Deutschen Röntgengesellschaft (1989), dem Gold Medal Award der International Society for Magnetic Resonance in Medicine (1991), dem Karl Heinz Beckurts-Preis (1993), dem Forschungspreis der Sobek-Stiftung (2005), dem Stifterverbandspreis (2013), der Jacob Henle-Medaille (2016) und dem Europäischen Erfinderpreis (2018). 2016 wurde Jens Frahm in die Hall of Fame der deutschen Wissenschaft gewählt.

Stiftung Werner-von-Siemens-Ring

Naturwissenschaft und Technik tragen dazu bei, Grenzen zu überwinden, Brücken zu bauen und gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern. Für die Gestaltung und Verwirklichung einer lebenswerten Welt setzt sich die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring ein. Anders als der Name vermuten lässt, ist sie keine Unternehmensstiftung, sondern eine eigenständige, gemeinnützige Stiftung privaten Rechts mit Sitz in Berlin.

Gegründet wurde sie anlässlich des 100. Geburtstages von Werner von Siemens am 13. Dezember 1916 in dem Bewusstsein, dass Technikforschung mit ihren neuen Erkenntnissen und Ideen die Grundlage für notwendige Innovationen in unserer Wirtschaft schafft. Daher verleiht die Stiftung seit ihrer Gründung den Werner-von-Siemens-Ring an Personen, "die sich, wie Siemens, hervorragende und anerkannte Verdienste um die Förderung der Technik in Verbindung mit der Wissenschaft erworben haben". Der "Werner-von-Siemens-Ring - Ehrenring für Verdienste um Naturwissenschaft und Technik" gilt als eine der höchsten deutschen Auszeichnungen auf diesem Gebiet.

Der Werner-von-Siemens-Ring und die mit dem Ring ausgezeichneten Persönlichkeiten sind seit 100 Jahren wichtige Orientierungspunkte und Motivation immer neuer Generationen von Forschenden in den Technik- und Naturwissenschaften. Dafür engagieren sich im Stiftungsrat neben den Ringträgern und den technischen Fachgesellschaften die Präsidenten und Vorsitzenden der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des Deutschen Verbands Technisch-Wissenschaftlicher Vereine.

Stiftungsratsvorsitzender ist der Präsident der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die 1887 als Physikalisch-Technische Reichsanstalt von Werner von Siemens gegründet worden war. Die beeindruckende Liste der Ringträger mit Namen wie Carl von Linde, Carl von Bosch, Konrad Zuse, Artur Fischer und vielen weiteren ist mittlerweile ein Abriss der Technikentwicklung in Deutschland.

» Weiterführende Informationen im YouTube-Kanal der PTB youtube

Quelle: Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)