15.11.2007
Forscher gehen bitterem Geschmack auf den Grund
Ein Forscherteam des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) konnte erstmals nachweisen, dass keine menschliche Bittergeschmackszelle der anderen gleicht. Jede Zelle ist demnach mit einem anderen Satz von vier bis elf Bitterrezeptoren ausgestattet. Daraus schließen die Forscher, dass jede dieser Geschmackszellen nur einige Bitterstoffgruppen erkennen kann und nicht - wie bisher angenommen - alle. Damit liefern die Ergebnisse der Forschung, die am Dienstag in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift "The Journal of Neuroscience" veröffentlicht worden sind, zum ersten Mal auf molekularer Ebene Belege für ein umstrittenes Erklärungsmodell der Geschmackswahrnehmung. Längerfristiges Ziel ist nach Angaben des Instituts, den Geschmack von Dingen zukünftig gezielt beeinflussen zu können.
"Unsere Daten haben zwar derzeit keinen praktischen Nutzen, sie tragen aber wesentlich zum Verständnis der Mechanismen bei, die der Geschmackswahrnehmung zu Grunde liegen. Nur wenn wir diese Mechanismen kennen, lassen sich die Zusammenhänge zwischen Geschmacksempfinden, Ernährung und Gesundheit aufklären", erklärt Maik Behrens, Erstautor der vorgelegten Studie. "Die Geschmacksforschung ist in Deutschland nicht besonders ausgeprägt", erläutert Wolfgang Meyerhof vom DifE im Gespräch mit pressetext. Der Forscher, der maßgeblich am Erfolg der aktuellen Studie beteiligt ist, beschäftigt sich seit nunmehr sieben Jahren mit der Geschmacksforschung und daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern. "Die Ergebnisse, die wir im Rahmen unserer Studien erhalten haben, rechtfertigen eine weitere Forschung in diesem Bereich", so Meyerhof.
Wissenschaftler diskutieren schon seit längerem darüber, wie der Bittergeschmack wahrgenommen wird und ob der Mensch zwischen verschiedenen Bitterstoffen unterscheiden kann. Die bislang durch Versuche an Nagern gewonnenen Daten sind widersprüchlich und führten zu zwei unterschiedlichen Erklärungsmodellen. Während das erste von der Annahme ausgeht, dass keine Unterschiede beim Bittergeschmack wahrgenommen werden können, ist dies nach dem zweiten Modell durchaus möglich. Basierend auf den Ergebnissen physiologischer Untersuchungen konnte nämlich gezeigt werden, dass Bittergeschmackszellen unterschiedlich auf den Kontakt mit Bitterstoffen reagieren und dass diese Aktivitätsunterschiede ins Gehirn übertragen können. Die nun durchgeführten Experimente der DifE-Forscher sind ein eindeutiger Beleg für diese im zweiten Ansatz vertretenen Annahmen. "Mit unserer Studie haben wir das lange Zeit vorherrschende Dogma, dass Bittergeschmackszellen nicht zwischen einzelnen Bitterstoffen unterscheiden können, weiter in Frage gestellt", so Meyerhof.
Von allen fünf Geschmacksvarianten süß, umami, sauer, salzig und bitter gilt der Bittergeschmack als der vielschichtigste. An den Spitzen der Bittergeschmackszellen sitzen 25 Bitterrezeptorproteine, die Tausende von verschiedenen Bitterstoffen wahrnehmen. Man nimmt an, dass Bitterrezeptoren vor dem Verzehr giftiger Stoffe warnen sollen. Diese Vermutung wird auch von Studien gestützt, die eine Arbeitsgruppe um Meyerhof bereits 2005 und 2006 durchgeführt hat. "Vorhergehende Studien haben gezeigt, dass die Evolution den Bittergeschmack als Warnmechanismus entwickelt haben könnte", weiß der Forscher. Direkte Beweise am Menschen zu finden sei aber sehr schwer, gute Argumente dafür gäbe es allerdings viele. Unabhängig vom Geschmackssystem finden sich einige dieser Rezeptoren aber auch im Atmungs- und Verdauungssystem. Welche Funktionen sie hier erfüllen gilt noch als völlig ungeklärt.
Quelle: pte.at