10.10.2024
Wie viele Arme hat ein sternförmig verzweigtes Makromolekül?
Dr. Gerhard Heinzmann , Alina Heinzmann, Sophia Heinzmann
Polymere und Biopolymere können entweder linear aufgebaut sein, oder sie können Verzweigungen im Makromolekül enthalten. Ein Beispiel für ein lineares, synthetisches Polymer ist High Density Polyethylen (HDPE), während Low Density Polyethylen (LDPE) chemisch identisch ist, aber Verzweigungen im Makromolekül enthält.
Die Verzweigungen führen dazu, dass der aus LDPE hergestellte Kunststoff dehnbar und flexibel ist, und unter anderem zur Herstellung von Plastiktüten und Folien eingesetzt wird, während der aus HDPE hergestellte Kunststoff sehr hart und stabil ist, und daher z. B. für die Herstellung von Rohrleitungen verwendet wird.
Im Bereich der Polysaccharide sind Pullulane als lineare Moleküle bekannt, während die chemisch identischen Dextrane verzweigt sind. In vielen Fällen kann der Aufbau der molekularen Struktur von synthetischen Polymeren durch die Wahl geeigneter Katalysatoren gezielt gesteuert werden. Sowohl LDPE als auch Dextrane sind willkürlich verzweigte Moleküle. Eine besondere Form der Verzweigungsstruktur ist die sternförmige Verzweigung. In diesem Fall liegt ein Zentrum im Molekül vor, von dem eine bestimmte Anzahl an Armen ausgeht.
Ein Beispiel aus dem Bereich der synthetischen Polymere ist ein sternförmig verzweigtes Polystyrol, im Bereich der Biopolymere kann z. B. ein Glukosemolekül im Zentrum vorliegen, an dessen OH-Gruppen Polymilchsäure-Moleküle angebunden werden. Im Folgenden soll beschrieben werden, wie man mit der Gelpermeationschromatographie die Anzahl an Armen bei einem sternförmig verzweigten Makromolekül bestimmen kann.
Sternförmig verzweigte Makromoleküle
- Abb.1: Größenvergleich einer linearen Polymerprobe
und einer sternförmig verzweigten Polymerprobe
Charakterisierung von sternförmig verzweigten Polymeren mit der Gelpermeationschromatographie (GPC/SEC)
Wenn man mit einem GPC/SEC-System die Verzweigungsstruktur von Makromolekülen bestimmen möchte, dann benötigt man zusätzlich zu einem Brechungsindexdetektor (RI) entweder einen Viskositätsdetektor oder einen Mehrwinkel-Lichtstreudetektor (MALS). Im Idealfall sind alle drei Detektoren vorhanden; man spricht dann von der sogenannten Dreifachdetektion (Triple Detection) [1].
Aus dem Viskositätsdetektor resultiert die Intrinsische Viskosität der Probe, der Mehrwinkel-Lichtstreudetektor ermittelt das absolute Molekulargewicht der Probe, und der Brechungsindexdetektor bestimmt die Konzentration der Probe an jedem Punkt des Elutionsvolumens. Ausgehend von diesen Informationen kann nun der Mark-Houwink-Plot für eine sternförmig verzweigte Polymerprobe erzeugt werden (Abbildung 2), wenn die Polydispersität der Probe ausreichend groß ist. Ist die Probe eng verteilt, dann erhält man aus dem Verhältnis der Intrinsischen Viskositäten nur einen einzigen Wert für die Anzahl der Arme.
- Abb.2: Mark-Houwink-Plot einer linearen
Polymerprobe und einer sternförmig verzweigten
Polymerprobe
Um den g'-Faktor in den g-Faktor umrechnen zu können, der aus dem Verhältnis der Trägheitsradien (Rg) einer verzweigten und einer linearen Probe resultiert, muss nun noch ein Exponent 1/ε hinzugefügt werden:
Der Exponent ε wird als Strukturfaktor oder auch Formfaktor bezeichnet. Für viele willkürlich und sternförmig verzweigte Makromoleküle wie Polystyrol, Polyethylen und Dextran hat er einen Wert von 0,75, er kann aber für verschiedene Verzweigungsstrukturen auch im Bereich von ca. 0,5 bis ca. 1,5 variieren.
- Abb.3: Auftragung des g'-Faktors über der Anzahl
der Arme (f) eines sternförmig verzweigten
Makromoleküls [3]
Es muss beachtet werden, dass das Resultat für eine lineare Probe f = 2 ist, da ein Arm auf jeder Seite des Kerns einem linearen Molekül entspricht. Erst ab einem Resultat von f = 3 und höher kann von einer sternförmigen Verzweigung ausgegangen werden (Abbildung 3).
Fazit
Mit einem GPC/SEC-System mit Dreifachdetektion kann die Anzahl der Arme von sternförmig verzweigten Makromolekülen bestimmt werden. Zunächst wird aus den Daten des Viskositätsdetektors und des Mehrwinkel-Lichtstreudetektors im Fall einer genügend breit verteilten Probe der Mark-Houwink-Plot erzeugt, aus diesem kann dann der g'-Faktor ermittelt werden. Der g'-Faktor kann mithilfe des Struktur- oder Formfaktors ε in den g-Faktor überführt werden. Aus dem g-Faktor kann dann mit einer Formel aus der Zimm-Stockmayer Theorie die Anzahl an Armen des sternförmig verzweigten Polymermoleküls über dessen Molekulargewichtsverteilung berechnet werden. Ist die Probe hingegen eng verteilt, dann resultiert aus dem Verhältnis der Intrinsischen Viskosität der verzweigten Probe und ihrem linearen Analogon bei gleichem Molekulargewicht nur ein einziger Wert für die Anzahl der Arme.
Literatur
- G. Heinzmann, "Der Begriff "Triple Detection" in der Gelpermeationschromatographie und der Feld-Fluss Fraktionierung - Ursprung und heutige Bedeutung" Fachartikel Analytik NEWS, Mai 2018
- Zimm, B. H., Stockmayer, W. H., Journal of Chemical Physics 17 (1949) 1301
- Viscotek Corporation, GPC/SEC Masterclass, Houston, Texas, USA, 1999