NMR-spektroskopische Untersuchungen des an Cph1-, Agp1-gebundenen und des freien Chromophors zur Aufklärung des Phytochrom Photozyklus
Röben, Marco - Freie Universität Berlin (2012)
Phytochrome sind lichtsensitive Proteine, welche als Rotlichtrezeptoren fungieren. Ein kovalent gebundener Chromophor verleiht den Phytochromen dabei ihre spektroskopischen Eigenschaften. Durch einen Photozyklus, maßgeblich eine Z/E-Isomerisierung am Chromophor, der durch die Absorption von rotem Licht ausgelöst wird, sind sie in der Lage, verschiedene Lichtverhältnisse zu detektieren. Unter anderem nehmen sie so Einfluss auf die Photomorphogenese von höheren Pflanzen. Bis zum heutigen Tag sind die genauen strukturellen Veränderungen am Chromophor und die der benachbarten Aminosäuren während des Photozyklus, welche schlussendlich zur Auslösung einer Signaltransduktionskaskade führen, nicht vollständig verstanden.
Diese Arbeit beschäftigte sich mit dem Phytochrom Photozyklus und hatte unter anderem zum Ziel, Informationen zum Verhalten des Chromophors gebunden in der Bindungstasche und im ungebundenen Zustand zu erhalten. Zum einen wurde der cyanobakterielle Chromophor Phycocyanobilin (PCB) isoliert in einem organischen Lösungsmittel betrachtet und zum anderen wurde PCB und der bakterielle Chromophor Biliverdin (BV) innerhalb der Bindungstasche im Phytochrom untersucht. PCB wurde dabei aus einer Synechocystis sp. Kultur isoliert. Durch die Anzucht in einem isotopenmarkierten Medium war 15N- als auch 13C15N-markiertes PCB für die Experimente verfügbar. Biliverdin stand nur in einer Isotopenverteilung mit natürlicher Häufigkeit zur Verfügung.
Für eine Zuordnung der Signale und eine anschließende strukturelle Betrachtung wurde PCB gelöst in einem organischen Lösungsmittel (Methanol, Dimethylsulfoxid (DMSO) und Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPT) betrachtet. Durch die hohe Symmetrie, den wenigen vorhandenen Protonen am PCB und aufgrund der geringen Konzentration der Probe führte eine eindeutige Zuordnung aller NMR-Signale mit Hilfe von COSY-, HMQC- und HMBC-Spektren nicht zum Erfolg. Somit musste eine Zuordnungsstrategie, angelehnt an Experimente wie dem HNCA oder HNCOCA, aus der Protein-NMR angewendet werden. Dafür wurden die Experimente HNC und HNCRELAY entwickelt.
Hierbei wurden Magnetisierungstransfers ausgehend vom Pyrrolproton über den Stickstoff hin zu den benachbarten Kohlenstoffen verwendet. Somit wurde zum Beispiel eine eindeutige Zuordnung der Signale zu den vier Pyrrolringen des PCB möglich. Für eine vollständige Zuordnung musste zusätzlich ein drittes Experiment, das HCC, verwendet werden. Hierbei wurde ausgehend von den Protonen ein Magnetisierungstransfer über zwei benachbarte Kohlenstoffe verwendet. Die sich so gegenseitig ergänzenden Spektren führten zu einer eindeutigen Zuordnung aller Signale zu den entsprechenden Kernen im PCB. Das beschriebene Tripelresonanzexperiment HNCRELAY wurde anschließend durch die Verwendung von selektiven Pulsen dahingehend erweitert, dass die Messung der kreuzkorrelierten Relaxation (cross correlated relaxation, CCR) zwischen der chemical shift anisotropy (CSA) und der Dipol-Dipol-Wechselwirkung möglich wurde.
Die in diesem Experiment erhaltenen Intensitäten der NMR-Signale wurden in einen Winkel zwischen dem Bindungsvektor der NH-Gruppe der Pyrrole und der CH-Gruppe der drei Methinbrücken umgerechnet. Die Vorgehensweise zur Berechnung des Winkels aus den CCR-Messungen basiert auf einer von Reif et al. beschriebenen Methode. In Verbindung mit 2D-NOESY-Spektren ließen sich zwei Modelle, eines basierend auf den CCR-Messungen und eines auf der Grundlage der NOE-Daten erstellen. Das CCR-Modell zeigte eine geöffnete Konformation während das NOE-Modell eine eindeutig helikale Struktur lieferte. Für eine zuverlässige Auswertung von CCR-Messungen muss eine rigide Struktur vorliegen. Da diese Bedingung schlussendlich nicht gewährleistet werden konnte, wurde für die berechneten Winkel ein größerer Fehlerbereich angenommen. Dementsprechend musste das helikale NOE-Modell dem CCR-Modell vorgezogen werden.
Für die Betrachtung der Mobilität der Chromophore PCB und BV in der Bindungstasche wurden die Linienbreiten der NH-Protonen der Pyrrole und die CH-Gruppen der Methinbrücken verglichen. Die Linienbreiten der NH-Protonen vom PCB im Cph1 wurden anhand der Projektionen von 1H,15N Korrelationen aus HMQC-Spektren bestimmt. Die Gründe für die nicht mehr sichtbaren Protonen H21, H22 und H23, sowie für das breite Signal vom Proton an Position 24 liegen in chemischen Austauschprozessen mit der Umgebung innerhalb der Bindungstasche. Es konnte festgestellt werden, dass bis auf das Proton an Position H24 alle Pyrrolprotonen des Chromophors einen schnellen Austausch mit der Umgebung erfahren. Konformationelle Austauschprozesse, wie sie die Methinbrückenprotonen erfahren, lassen einen direkten Rückschluss auf die gesamte Mobilität des Chromophors in der Bindungstasche zu. Für diese Experimente wurden die Linienbreiten der Methinbrückenprotonen der Chromophore PCB und BV in den jeweiligen Phytochromen, Cph1 bzw. Agp1, verglichen.
Neben dem Wildtyp (WT) der Phytochrome wurde eine Cystein zu Alanin Mutante eingesetzt, bei denen die Chromophore in der Bindungstasche sitzen, jedoch nicht mehr kovalent an das Protein gebunden sind. Dabei konnten eindeutige Unterschiede festgestellt werden. Während im WT des Cph1 PCB eine wesentlich höhere Linienbreite als in der C259A-Mutante detektiert wurde, war dieser Unterschied für das BV im WT-Agp1 und der C20A-Agp1-Mutante nicht mehr sichtbar. Die Mobilität des Chromophors in den beiden Phytochromklassen wird durch die kovalente Bindung unterschiedlich stark beeinflusst. Die große Linienbreite vom PCB im WT-Cph1 war ein Indiz für eine wesentlich höhere Mobilität dieses Chromophors verglichen mit den anderen Systemen. Dieses ist im Einklang mit den Ergebnissen von Song et al. und den Ergebnissen von Yang et al., die für den Grundzustand zwei Konformationen mit Hilfe der Festkörper NMR bzw. der Femtosekunden VIS/IR-Spektroskopie nachweisen konnten.
Neben der Betrachtung der Dynamik wurden die Interaktionen zwischen Chromophor und Protein untersucht. Hier lag der Fokus auf den austauschbaren Protonen des Chromophors und der Aminosäuren Histidin, Tyrosin und Serin in direkter Nachbarschaft zum Chromophor. Zeigten diese normalerweise durch die ablaufenden Austauschprozesse nicht sichtbaren Protonen NOE Korrelationen in den Spektren, wurde dies als ein direkter Nachweis einer Wasserstoffbrücke interpretiert. Die Wasserstoffbrücken verlangsamen die Austauschprozesse für das beteiligt Proton wodurch die Detektion einer NOE-Korrelation möglich wird. Die Phytochrome Cph1 und Agp1 wurden im Pr-Grundzustand untersucht. Bei beiden Phytochromen konnte eine Wasserstoffbrücke am Proton H24 des Chromophors und H2 vom Histidin 290 (His-280 im Agp1) nachgewiesen werden.
Zusätzlich dazu wurden im Agp1 Wasserstoffbrücken, in denen die Seitenkettenprotonen H2 vom Histidin 250, H vom Tyrosin 206 und Hγ vom Serin 262 beteiligt sind, nachgewiesen. Im Agp1 wurde somit ein dichteres Netzwerk an Wasserstoffbrücken nachgewiesen werden. Vom Cph1 konnte aufgrund der sehr langsamen vorhandenen Dunkelreversion der angeregte P>sub>fr-Zustand untersucht werden. Das Pyrrolproton H24 vom Chromophor war in den Spektren nicht mehr sichtbar. Stattdessen wurde eine NOE-Wechselwirkung vom Proton H2 der Seitenkette vom Histidin 290 hin zu dem Methylprotonen an Position 17 im Chromophor beobachtet. Mit dieser Korrelation in den Spektren wurde die Z/E-Isomerisierung während des Photozyklus eindeutig nachgewiesen. Damit wurde die Funktionsweise der kanonischen Phytochrome bestätigt, welche 2010 von Ulijasz et al. in Frage gestellt wurde.
Weiterhin konnte für das Signal der Stickstoff-Protonen Korrelation eine Veränderung der chemischen Verschiebungen, bezogen auf die Pr-Form, von 11 zu 14 ppm in der Protonen- und von 165 zu 170 ppm in der Stickstoffdimension festgestellt werden.
Diese Tieffeldverschiebung zeigte, dass die Stärke der Wasserstoffbrücke, in der das Proton H2 eingebunden ist, in der Pfr-Form zunimmt. Bei einer Protonenverschiebung von ca. 10 ppm wurde eine weitere NOE-Korrelation in der Pfr-Form vom Cph1 detektiert. Die Zuordnung dieser Resonanz zum Hydroxylproton des Tyrosin 176 war in Verbindung mit der Kristallstruktur des bakteriellen Phytochroms PaBphP aus Pseudomonas aruginosa möglich. Der Grundzustand vom PaBphP ist die Pfr -Form, weshalb ein Homologiemodell vom Cph1 in der Pfr-Form erstellt werden konnte. Vergleicht man die Kristallstruktur der Pr-Form des Cph1 mit dem Homologiemodell, so kann man feststellen, dass die Seitenkette vom Tyrosin 176 die Position ändert. Liegt die Seitenkette in der Pr -Form unter dem Chromophor, so zeigt sie in der Pfr-Form nach oben. Das Hydroxylproton des Tyrosins ist nach erfolgter Photokonversion in den Pfr-Zustand in direkter Nachbarschaft zum Histidin 290 und kann die erwähnte NOE-Wechselwirkung hervorrufen. Somit wurde die strukturelle Veränderung in der Pfr-Form, sowie eine Wasserstoffbrücke, an der das Hydroxylproton beteiligt ist, nachgewiesen.